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Unser großes Interview mit LAFEE – Zurück mit einem Knall

Wahrscheinlich wird vielen Lesern von uns der Name LaFee kein Begriff sein, obwohl sie bereits damals viele musikalische Schnittstellen mit vielen Stammbands aus dem Hardline Magazin hatte. Anfang des Jahrtausends startete Christina Klein mit sechszehn Jahren ihre Musikkarriere als LaFee. Ihre ersten beiden Alben „LaFee“ (2006) und „Jetzt erst recht“ (2007) landenten auf Anhieb auf Platz 1 in den Charts. Auch das dritte Album „Ring frei“ (2009) landete in den Top Ten. In den letzten Jahren wurde es eher ruhig um die Sängerin, doch nun meldet sie sich mit der neuen Single ‚Königin der Nacht‘ und einer ausverkauften Tournee zurück. Wir haben uns mit LaFee in Berlin getroffen.

HARDLINE: Hi LaFee, erst einmal Glückwunsch zum Comeback. Nach fünfzehn Jahren Pause bist du nun erstmals wieder auf Tournee und eigentlich überall ausverkauft. Ich hatte bereits in den sozialen Medien einige Handyvideos von den Konzerten gesehen und muss feststellen, dass da eine mega Stimmung herrschte. Respekt.

LAFEE: Vielen Dank dafür. Ja, es liegen jetzt ziemlich genau fünfzehn Jahre zwischen den Konzerten, das ist richtig.

Laut der Plattform Setlist.fm war dein letztes Konzert 2009 in München. Dann hattest du ein erstes kleines Comeback 2021 mit dem Album „Zurück in die Zukunft“, was allerdings in eine komplett andere Richtung ging, wie deine alten Sachen. Aber zu diesem Album gab es keine Konzerte. Nun kommt dein jetziges Comeback fast wie ein Knall. Wie kam es dazu?

Also, weg war ich tatsächlich nie. Ich hatte ja mit fünfzehn angefangen Musik zu machen. Und seitdem ging es nur mit Vollgas voraus. Ich spielte Tourneen war Gast bei verschiedenen Shows und so weiter. Irgendwann kam ich aber an den Punkt, wo ich mir sagte, dass es auch mal schön wäre durchzuatmen. Ich war halt noch sehr jung und hatte aber schon wahnsinnig viel erlebt. Ich brauchte tatsächlich einen Break für mich. Auch um festzustellen, wer ich bin, wo ich hinwill und vor allem, ob ich das alles überhaupt noch machen möchte oder vielleicht etwas ganz anderes machen möchte. Aber dem war dann am Ende nicht so. Ich bin in der Zeit viel gereist und habe viel Zeit mit meiner Familie verbracht. Ich bin einfach runtergekommen. Das war wirklich notwendig. Aber irgendwann hat es mich einfach wieder zur Bühne gezogen. Aber diesmal komplett anders. Ich habe dann im Musical gespielt. Das war mega interessant und hat viel Spaß gemacht. Dann habe ich drei Jahre in der Soap „Alles was zählt“ mitgespielt. Das konnte ich sogar mit Musik verbinden. Auch das war eine tolle Zeit. Und als ich aus der Serie ausgestiegen bin, hatte ich mich wieder zu hundert Prozent nur auf Musik konzentriert. Das war alles großartig, aber das war nicht zu hundert Prozent ich. Und auch da habe ich erst einmal etwas gemacht, was ganz anders gewesen ist als das, was man von mir kannte. Aber schon da war für mich klar, dass ich irgendwann wieder in meine Richtung gehen werde. Ich wollte mich einfach ausprobieren.

Und das Ergebnis da war „Zurück in die Zukunft“?

Ich wollte da einfach für mich schauen, ob ich auf etwas anderes musikalisch Bock habe, das etwas sanfter ist. Das hat zwar Spaß gemacht, aber das war nicht ich.

Böse Zungen würden sagen, dass man sich dem Mainstream angebiedert hat.

Bestimmt. Es hieß damals auch in den Medien: „LaFee macht jetzt Schlager“. Das ist halt dieses Schubladen-Denken. Ganz schlimm. Ich kann das nicht verstehen, denn wenn du die Lyrics wegnimmst, dann hätte der eine oder andere Song auch von The Weeknd sein können – ohne gleich anmaßend zu klingen. Aber wir kochen auch alle nur mit Wasser und das, was wir auf dem Album hatten, waren eins zu eins Sounds, die auch Leute wie eben The Weeknd nutzen. Aber bei dem würde nie jemand sagen, dass er der neue Schlagerkönig ist, hahaha.

Es ist halt leider immer noch die Meinung verbreitet: Deutscher Pop ist Schlager.

Ja, furchtbar, oder? Aber wie dem auch sei. Ich habe es gemacht, ich stehe auch dazu. Aber ich hatte ja schon gesagt, das war nicht wirklich ich. Das war nicht LaFee. Ich wollte wieder zurück zu meinem alten Sound. Deswegen gab es zu „Zurück in die Zukunft“ auch keine Tour. Und nun bin ich wieder da.

Gehen wir kurz zurück zu dem Punkt, bei dem du gesagt hattest, dass du wieder zum alten Sound hinwolltest. Weil das der Sound ist, der dich definiert. Ich hoffe, du nimmst mir das nicht böse, aber gerade, wenn man so früh seine Karriere beginnt, wie du, dann liegt der Verdacht doch nahe, dass man von einem Label in eine gewisse Richtung hineingepresst wird. Man konnte eine kleine Rock- oder Gothic Queen aufbauen und so einen Gegenentwurf zu Bands wie Silbermond, Juli oder Tokio Hotel aufbauen. Das war bei dir also nicht so? Die Musik, die du damals schon gemacht hast, war von vornherein deine favorisierte Richtung?

Total. Dazu stehe ich auch. Ich fand damals bereits solche Musik gut. Mich haben Bands wie Eisbrecher, Oomph! Oder auch Rammstein fasziniert. Ich glaube, wenn du etwas nicht gut findest oder zu hundert Prozent dahinterstehst, kannst du das nicht so lange durchziehen, ohne daran zu zerbrechen. Ich bin nicht daran zerbrochen. Ich musste irgendwann eine Pause machen, weil das Pensum, das ich hatte, tatsächlich krank war. Es war viel zu viel für so einen jungen Menschen. Aber, ich habe es trotzdem gemacht und konnte es alles unter einen Hut bringen. Ich musste mich glaube ich zwischendurch einfach austesten, auch um zu erkennen, dass die Musik, mit der ich damals angefangen hatte, auch wirklich die Musik ist, die ich liebe und die ich weitermachen will.

Und dennoch hat es nach deinem letzten Album knapp drei Jahre gedauert, bis etwas neues kommt.

Manche Dinge brauchen ihre Zeit. Das Album ist noch nicht fertig. Wir arbeiten daran. Aber ich bin guter Dinge.

Ich habe anfangs ja erwähnt, dass die Tour ausverkauft ist und die Stimmung ja bei jeder Show großartig zu sein scheint. Wie war es denn für dich, als du das erste Mal nach fünfzehn Jahren wieder auf die Bühne getreten bist und dann so ein Feedback von Seiten der Fans bekommen hast?

Da kann ich nicht viel zu sagen außer: Mega. Wirklich. Ich war sprachlos, als ich erfahren hatte, dass die Tour ausverkauft ist. Ich bin wahnsinnig dankbar dafür. Es ist vom Gefühl her so, als ob ich nie weggewesen wäre.

Da sprichst du jetzt etwas an. Fünfzehn Jahre warst du weg. Das ist in den meisten Branchen kein Problem. Im Entertainmentbereich kann so etwas aber tödlich sein für die Karriere. Gerade in einem schnelllebigen Bereich wie dem Musikbusiness. Hattest du Angst, als es darum ging, die Tour zu planen? Weil, so etwas kann ja auch nach hinten losgehen.

Was heißt Angst? Man plant so etwas nicht in einer Nacht und Nebel Aktion. So eine Tour wird von langer Hand geplant und man arbeitet mit einer Gruppe von Leuten zusammen, die an einen glauben. Aber noch viel wichtiger ist, dass du selbst an dich glaubst. Ich hatte eigentlich immer ein gutes Gefühl, weil ich über meine Social-Media-Kanäle immer den direkten Kontakt zu meinen Fans gehalten habe. Ich betreue diese Kanäle selbst. Das ist mir wichtig, weil ich so den Überblick habe, was gerade passiert und wie die Stimmung ist. Damals gab es einen Initialpunkt. Damals waren ganz liebe Kollegen von mir auf Tour und ich bin in Köln mit denen für ein kurzes Ständchen auf die Bühne gegangen. Und die Fans dort sind damals wirklich ausgerastet. Und das war für mich der Punkt, bei dem ich wusste, dass ich zurück auf die Bühne muss. Weil, wenn die Leute bei dem Konzert, bei dem sie nicht wegen mir da waren, so toben, wie reagieren dann die Leute, die wegen mir zum Konzert kommen? Wie würden meine Fans reagieren, wenn ich nach so langer Zeit wieder auf die Bühne zurückkehre und sage: „Lasst uns doch gemeinsam in die Vergangenheit zurückkehren und den Laden hier richtig aufmischen.“ Das war die Idee. Und aus dieser Idee ist dann das hier entstanden. Wir sind allesamt mit einem guten Gefühl an die Planung herangegangen. Aber wir haben natürlich auch die aktuelle Situation immer im Blick gehabt. Ich glaube, wir hätten alles falsch gemacht, wenn wir von Anfang an gesagt hätten, dass wir die Lanxess Arena in Köln dafür buchen. Man muss schon realistisch bleiben. Die hätten wir bestimmt nicht ausverkauft. Man muss auch kleine Brötchen backen. Ich war vor fünfzehn Jahren schon da gewesen. Ich war vor fünfzehn Jahren der gefeierte Superstar. Aber, das war eben vor fünfzehn Jahren.

Gehen wir noch einmal zum Start deiner Karriere zurück. Man hat ja nicht oft jemanden, der so früh startet. Du warst damals fünfzehn, also in der Pubertät. Eine Zeit, in der man sich als Mensch erst einmal finden muss. Deine Freunde konnten zuhause Parties feiern, du hattest Verpflichtungen und bist unterwegs gewesen. Wie war es damals, den Schulalltag und den Familienalltag mit der Karriere unter einen Hut zu bringen?

Das ging nicht. Tatsächlich. Ich hatte zwei Monate lang Schule und Arbeit kombiniert und dann stellten wir alle fest, dass das nicht funktioniert. Ich hatte nur das Glück, dass ich ganz großartige Lehrer an meiner Schule hatte, die mir das ermöglicht hatten. Sonst hätte ich die ganze Zeit zusätzlich noch einen Privatlehrer mitschleppen müssen. Aber unsere Direktoren und Lehrer an meiner Schule waren so entspannt in der Sache, weil sie mir das auch ermöglichen wollten. Also haben wir einen Deal gemacht.

Da hast du echt Glück gehabt. Wenn ich da an meine Lehrer denke, ich glaube, die wären nicht so locker gewesen.

Voll. Die haben alle an mich geglaubt und haben etwas Großes in mir gesehen und wollten mir nicht im Weg stehen. Ich hätte das alles nicht durchziehen können, wenn meine Lehrer sich quergestellt hätten. Das war wirklich ein Deal zwischen der Schule, meinen Eltern und mir. Die haben mir das gesamte Material zur Verfügung gestellt und ich habe dann einfach gepaukt und hatte einen Nachhilfelehrer dabei. Für die Klausuren musste ich wieder an die Schule zurück und die dort schreiben. Und dann habe ich wieder mein Ding gemacht. Am Anfang war das schon witzig, als ich das kombiniert hatte. Ich hatte bis elf Uhr Schule und wurde dann vor der Schule von einem Fahrer abgeholt, der mich dann zum Flughafen gefahren hatte. Dann war ich nachmittags zum Interview bei VIVA Live. Das war schon krass.

Das Witzige an der Sache ist ja auch, dass definitiv jeder Jugendliche in dem Alter, zumindest damals, die BRAVO hatte. Du garantiert auch. Und zack! Auf einmal ist LaFee auf der Titelseite. Und zack! LaFee-Poster und so weiter. Du sagtest gerade VIVA Live, dann 1Live Krone, TV Total, BRAVO Supershow und was nicht noch alles. Gerade in den jungen Jahren kann einen das schon fertig machen und auch brechen. Es gibt leider auch sehr viele Negativ-Beispiele. Wer hat dich am Boden gehalten?

So blöd es vielleicht klingt. Aber ich glaube, dass es mein gesunder Verstand gewesen ist. Denn meine Familie war leider nicht um mich herum, wenn ich unterwegs gewesen bin. Ich habe das strikt getrennt, denn ich wollte nicht, dass meine Familie ins Business hineingezogen wird. Ich wusste, was für eine Gefahr besteht, wenn das passiert. Meine Familie ist mir heilig. Außerdem darf man nicht vergessen, dass es mein Wunsch gewesen ist, dort zu sein, nicht der meiner Eltern. Und ich wollte da niemanden unfreiwillig hineinziehen. Fragt mich nicht, wie das funktioniert hat, aber ich hatte immer eine innere Stimme, die mir gesagt hat, dass ich mein Ding durchziehen und mir von niemanden reinreden lassen soll. Es hat funktioniert. Aber natürlich habe ich auch ein stabiles Umfeld gehabt, das mich immer wieder aufgefangen hat, wenn ich mal down gewesen bin.

Deine Karriere startete an einem besonderen Punkt in deinem Leben. Das haben wir schon durchgesprochen. Deine zweite Karriere, so will ich es mal nennen, startet auch wieder an einem neuen besonderen Punkt in deinem Leben. Denn, du bist letztes Jahr Mutter geworden. Damals musstest du deine Zeit gut planen wegen der Schule. Nun musst du die Zeit gut planen wegen dem Kind. Ist das Kind auf Tour dabei?

Ja, ist es. Es ist schon ein gewisser logistischer Aufwand, aber so ist das eben. Ob ich jetzt mit sieben oder acht Leuten unterwegs bin, oder ob da noch drei weitere Personen dabei sind, das macht den Hahn jetzt nicht fett. Der Tour-Tross ist halt so wie er ist. Die kommen halt einfach alle mit und fertig. Ich bin aber total dankbar dafür, dass der Kleine dabei sein kann. Es wäre für mich auch keine Option gewesen ihn zuhause zu lassen. Ist es anstrengend? Na klar. Würde ich es trotzdem immer wieder machen? Auf jeden Fall.

Deine Situation ist derzeit so, dass du im Moment ohne ein Label bist, richtig?

Ja, das stimmt.

Ihr arbeitet ja derzeit an einem neuen Album. Ist es befreiender, wenn man noch kein großes Label im Rücken hat, das immer mit einer Deadline winkt und schon einen gewissen Druck ausübt?

Es hat alles Vor- und Nachteile. Ein Major Label wie Universal hat natürlich eine andere Macht, wenn es darum geht Strippen zu ziehen, wenn es um gewisse Formate geht. In den Chefetagen sitzen überall Leute, die sich kennen und die sich gegenseitig die Bälle zuspielen. Wenn man nicht in diesem Team ist, dann bevorzugt man dort natürlich erst einmal die Leute aus den eigenen Reihen. Das ist ein großer Nachteil, wenn man nicht bei einem Label ist. Dann fehlt einem diese Maschinerie. Der Vorteil ohne Label ist, dass du sprichwörtlich frei bist. Du hast niemanden, der dir etwas sagen kann, oder versucht dir in deine Arbeit reinzureden. Du kannst selbstbestimmt dein Ding durchziehen.

Wie ist der derzeitige Stand beim Album? Wann können die Fans damit rechnen?

Im Moment arbeiten wir wirklich von Song zu Song. Also ganz entspannt und ohne Druck, eben weil ich Mutter bin. Ich mache mir selbst da keinen Druck. Aber ich glaube, wenn es so läuft, wie bisher, dann könnte das Album Mitte oder Ende nächsten Jahres veröffentlicht werden. Voraussetzung ist natürlich, dass ich es nicht in den Kopf kriege und mich für drei Monate rausnehme und einfach offline gehe, hahaha.

Wenn du heute zurückblickst auf deine erste Karriere und nun nach der ersten erfolgreichen Tournee nach so langer Zeit. Wie vergleichst du die beiden Abschnitte in deinem Leben?

Das kann man so nicht vergleichen. Damals war alles viel Extremer, schon allein wegen dem Alter. Heute stehen erwachsene Menschen im Publikum, die mit mir erwachsen geworden sind.

Die immer noch kreischen, wenn sie dich sehen (lach).

Das stimmt, hahaha. Aber, viel verhaltener. Die sind halt erwachsen geworden. Die haben eine Geschichte, die sie auf ihren Schultern tragen. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Das ist interessant zu beobachten, wie sich das von früher zu heute entwickelt hat. Früher war alles sehr unbeschwert. Alle waren halt Kinder. Da ist man unbeschwert. Man hat im Normalfall keine Ängste, du hast keine Sorgen, weil Mama und Papa alles für dich schultern. Und heute stehen da Erwachsene mit Geschichten, die selbst Kinder haben und deren Sorgen und Ängste schultern. Und ich finde es wahnsinnig spannend, wenn ich nach den Konzerten mit den Leuten rede, zu hören, was sie mit mir verbindet. Dann hört man Dinge wie, dass ich zum Soundtrack ihres Lebens beigetragen habe, dass ich damals ein wichtiger Teil von deren Leben gewesen bin, und nun sehen sie mich nach fünfzehn Jahren wieder. Das berührt einen. Das ist ein wahnsinnig schönes Gefühl. Es ist schön zu sehen, dass man gemeinsam erwachsen geworden ist.

Das ist doch mal ein schönes Schlussstatement. Ich finde deine Geschichte wahnsinnig spannend. Ich gönne dir das Comeback von Herzen. Ich habe gesehen, dass die ersten Termine für 2025 bereits feststehen. Auch dafür wünsche ich dir viel Erfolg und vor allem viel Erfolg mit deinem kommenden Album. Vielleicht sprechen wir uns dazu dann wieder.

Ich würde mich sehr freuen. Danke für eure Zeit. Bis bald.

Text: Pat St.James