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MICK MARS – „Mötley Crüe ist und bleibt ein wichtiger Teil meines Lebens“

Robert Allan Deal, besser bekannt unter dem Namen Mick Mars ist eine Legende. Er war nicht nur Teil der berüchtigtsten Band der Welt, Mötley Crüe, sondern hat mit seinem Stil auch nachhaltig Generationen von Gitarristen geprägt. Und während all seine Mötley Crüe-Kollegen über die Jahre hinweg entweder eigene Soloalben veröffentlichten oder in anderen Bands unterwegs waren, brauchte der Gitarrist knapp zehn Jahre nach der offiziellen Abschiedstour von Mötley Crüe, um ein eigenes Werk zu veröffentlichen. Was so lange gedauert hat, wie es nach dem unrühmlichen Ende bei den wiedervereinten Mötley Crüe aussieht und wie er zum neuen Gitarristen John 5 steht, hat er uns in einem Zoom-Meeting verraten.

HARDLINE: Mick, wir sind wahnsinnig stolz darauf, dich zu einem Interview zu erwischen. Wir haben gehört, dass du nur sporadisch Interviews gibst. Deswegen hier schon einmal Dankeschön.

MICK MARS: Sehr gerne. Ja, ich bin nicht so der Mensch für Interviews. Früher hatte Nikki die meiste Pressearbeit erledigt, da konnte ich mich immer raushalten. Aber ich denke, jetzt komme ich nicht mehr drumherum, (lacht)

Am Silvesterabend 2015 hattet ihr im Staples Center in Los Angeles euer vermeintlich letztes Konzert gegeben. Es hat aber nun fast zehn Jahre gedauert, dass ein Soloalbum von dir erscheint, obwohl es Gerüchte gegeben hatte, dass du schon während der Abschiedstour angefangen hattest, Songs dafür zu schreiben. Ich meine Tommy, Vince und Nikki hatten immer wieder, auch während der aktiven Zeit der Crüe Soloalben veröffentlicht.

Ich hatte eigentlich immer schon den Wunsch, ein Soloalbum zu machen. Aber meine Priorität war immer die Crüe. Das bedeutet, dass ich jedes Riff, jeden Lick, jede Melodie erst einmal für Mötley Crüe geschrieben hatte. Wenn das nicht angenommen wurde, kam es erst einmal in die Schublade. Dann hatten wir uns dazu entschlossen, Mötley Crüe aufzulösen. Es sollte kein Album mehr kommen. Wir hatten noch zwei Singles veröffentlicht (‚Sex‘, 2012 und ‚All Bad Things Must End‘, 2015) aber wir waren uns einig, dass kein Album mehr kommen wird. Also konnte ich mich auf mein eigenes Material konzentrieren. Denn eines war für jeden klar, es sollte auch nach dem Ende der Crüe weitergehen. Nikki hatte Sixx: A.M., Vince war, genau wie Tommy solo unterwegs. Das wollte ich auch. Aber ich hatte mir Zeit gelassen. Ich wollte keinen Schnellschuss machen. Dann kam die Reunion der Crüe und ich habe wieder alles liegengelassen. Am Ende war aber so viel Zeit vergangen, dass ich selbst mit dem Material nicht mehr ganz so zufrieden gewesen bin und habe alles neu geschrieben.

Kommen wir doch kurz auf die Auflösung von Mötley Crüe und der darauffolgenden Reunion zu sprechen. Ihr hattet in einer Pressekonferenz sehr medienwirksam eure Auflösung bekanntgegeben. Ich kann mich noch daran erinnern, dass vor jedem Platz ein Grabstein mit euren Namen stand. Dies hattet ihr mit einem Vertrag geregelt, der euch allen verbot, jemals wieder gemeinsam zu touren. Es sollte das ultimative Ende von Mötley Crüe darstellen. Bis dahin ist erst einmal alles okay. Doch nur vier Jahre später habt ihr eine Rückkehr und eine dazugehörige Tour mit Def Leppard und Poison angekündigt. Wie kam es dazu?

„wir hatten wirklich vor, die Crüe zu Grabe zu tragen“

Zu unserer Verteidigung muss ich sagen, dass wir wirklich vorhatten, die Crüe zu Grabe zu tragen. Wir wollten keine der Bands werden, die ihren Abschied ankündigen, nur um dann zwei Jahre später zurückzukehren. Oder noch schlimmer, wie bei den Scorpions oder Judas Priest, noch während der Abschiedstour zusagen, dass man doch nicht aufhört.

HL: Aber warum dann der Sinneswandel?

Hauptgrund war eigentlich der Film „The Dirt“. Netflix bat uns, wenigstens einen neuen Song für den Film zu machen. Das haben wir gemacht und dann haben wir den Soundtrack zusammengestellt, auf dem dann noch weitere neue Songs kamen. Wobei „neu“ übertrieben ist. Es waren Songs, an denen wir mal gearbeitet, diese aber nie veröffentlicht hatten. Und schon war das Interesse an Mötley Crüe wieder da. Der Soundtrack verkaufte sich gut, der Film hatte einen guten Zulauf und wir wurden immer wieder gefragt, ob wir nicht doch zurückkommen wollen. Und so kam es dann.

Wobei es aber immer noch diesen Vertrag gab.

Der auch nur ein Stück Papier ist, wenn wir ehrlich sind. Wenn sich alle vier Vertragspartner einig sind, was sollte dann der Sache im Wege stehen.

Wir kommen später noch einmal darauf zurück. Kommen wir noch einmal auf das Album zu sprechen. Du sagtest, dass du das gesamte Album noch einmal neu geschrieben hattest. Gibt es eine Chance, dass man die ursprünglich geschriebenen Songs noch einmal zu hören kriegt?

Wahrscheinlich nicht. Ich habe mir erst letztens das Material angehört und es ist nicht gut genug. Damals war ich zufrieden, aber meine Ansprüche sind inzwischen anders. Vielleicht nehme ich die eine oder andere Idee und mache einen neuen Song daraus, wer weiß. Aber die Songs in ihrer ursprünglichen Version bleiben bei mir.

Der aktuelle Longplayer „The Other Side of Mars“

Der Albumtitel beschreibt eigentlich perfekt, um was es geht: „The Other Side of Mars“. Es ist etwas komplett anderes, wie das, was du mit der Crüe gemacht hast. Es gibt einen viel modernen Touch. Wie war es für dich, diese Seite zu erkunden?

Ich bin sehr vielseitig in meinem Musikgeschmack und das wollte ich auf dem Album zeigen. Wenn ich Songs für Mötley geschrieben hatte, dann war ich in einer Art Korsett. Die Fans haben einen gewissen Stil erwartet und den haben wir geliefert. Außerdem musste ich sehr mit der Musik auf Vince‘ Stimme achten. Bei einem Soloalbum kann ich aus den Vollen schöpfen. Das ist das Schöne an so einem Projekt, weil man einfach alles machen kann. Wenn ich ein Album angehe und ich bin in einer bluesigen Stimmung, dann wird es ein Blues-Album. Will ich etwas Aggressiveres, dann probiere ich auch Thrash-Riffs aus. Das sind Freiheiten, die du in einer Band wie Mötley Crüe nicht hast. Aber es war großartig und hat Spaß gemacht.

Du hast es gerade angesprochen. Als die ersten Gerüchte zu einem Mick Mars Soloalbum kamen, hieß es, dass du ein Blues-Album machst. Das hätte auch Sinn gemacht, denn soviel ich weiß, liegen deine Wurzeln im Blues.

„Die Wurzeln des Rock liegen im Blues“

Die Wurzeln des Rock liegen im Blues, Bruder, hahaha. Aber du hast recht. Ich war damals fasziniert von Jimi Hendrix. Er hatte dieses Talent, bluesgetränkte Riffs in wilde, unbändige Rock-Licks zu verwandeln. Aber auch Gary Moore, Jimmy Page oder Jeff Beck. Allesamt Gitarristen, die Bluesorientiert spielen. All ihre Wurzeln liegen dort. Und ich empfehle jedem Gitarristen, der heute Rock und Metal spielen möchte, vorher die Schule des Blues zu durchlaufen, denn dann verstehst du diese Musik erst richtig. Es geht um das Gefühl und die Seele. Schaut euch Slash an, der hat auch ein Blues-Album am Start.

Bei Mötley Crüe hatte Nikki Sixx den Großteil der Texte geschrieben. Wie sieht das bei dir und deinem Album aus?

Ich habe versucht Texte zu schreiben, war damit aber nicht zufrieden, hahaha. Den Großteil der Texte hatte Paul Taylor (Winger, Alice Cooper) übernommen. Ich habe ihm meine Ideen gegeben und ihm gesagt, in welche Richtung es gehen soll. Ansonsten habe ich ihm freie Hand gelassen. Paul spielte auch die Keyboards auf dem Album. An den Drums saß Ray Luzier von Korn und Chris Collier, der auch für Mix und Mastering verantwortlich gewesen ist.

Wer hatte den Gesang übernommen?

Das war spannend, denn eines war für mich klar. Ich wollte keinen Sänger, der klingt wie Vince Neil. Ich wollte etwas Eigenes haben. Den Gesang auf dem Album teilen sich Jacob Bunton, der unter anderem in Steven Adlers Band singt und Brion Gamboa, der bisher als Sänger noch nicht in Erscheinung getreten ist. Aber ich fand, dass beide Stimmen perfekt für das Album passten.

Die Produktion hatte ja ein Deutscher übernommen. Michael Wagner, der ja auch schon für Ozzy Osbourne, Accept, Megadeth aber auch für Mötley Crüe tätig gewesen. Ich glaube, dein Album war sein letztes, welches er produziert hatte, denn er ist inzwischen in den Ruhestand gegangen.

Ja, Michael und ich kennen uns seit Jahren. Er hatte damals an unserem Debüt „Too Fast For Love“ mitgearbeitet, seitdem sind wir im engen Kontakt geblieben. Ich hatte ihn damals gefragt, ob er Lust hätte, mein Album zu produzieren und er sagte sofort zu. Ich wusste gar nicht, dass er eigentlich in den Ruhestand gehen wollte. Er erzählte mir dann aber davon. Ich bin aber froh, dass er noch dieses Album gemacht hatte.

Jeder weiß, dass du gesundheitliche Probleme hast. Die sind ja schon seit langer Zeit bekannt und sollen auch der Grund dafür gewesen sein, dass du letztendlich Mötley Crüe verlassen hattest. Wie sieht es aus, gibt es eine Möglichkeit, dass man dich vielleicht mit deinem Solomaterial einmal live erlebt?

Darüber habe ich mit der Band noch nicht gesprochen. Fakt ist, ich werde keine Tournee machen. Ich hätte schon Lust, aufzutreten und könnte mir dies bei dem einen oder anderen Festival vorstellen, aber das muss man sehen.

Ich hatte es ja gerade angesprochen, 2022 hast du Mötley Crüe offiziell verlassen. John 5 kam an deine Stelle und wurde inzwischen offiziell als Mötley Crüe-Gitarrist eingesetzt. Wie ist das für dich?

„die Fans haben uns mit offenen Armen willkommen geheißen“

Ursprünglich war es geplant, dass wir eine Reunion-Tour machen und dann wollten wir in Ruhe schauen, wie es weitergeht. Dann kam die Pandemie und die Tour wurde bekanntlich verschoben. Als dann die Maschinerie in Gang gesetzt wurde, war es ein anstrengender Ritt. Um ehrlich zu sein, wir wussten nicht, wie man diese Reunion annehmen würde. Denn immerhin haben wir ja gesagt, dass wir aufhören. Doch die Fans haben uns mit offenen Armen willkommen geheißen. Das war ein schönes Gefühl. Und als die Tour, die erst einmal nur die USA umfassen sollte, sich ausweitete auf den Rest der Welt, merkte ich schon, dass ich das wahrscheinlich nicht mehr schaffe. Es kamen immer mehr Angebote, und Termine wurden festgezurrt. Also habe ich mich mit der Band kurzgeschlossen und gesagt, dass ich das nicht mehr schaffe. Ich selbst hatte John als Ersatz vorgeschlagen, weil ich auch nicht wollte, dass die Angebote ausgeschlagen werden. Es gab eine Nachfrage der Fans und die wollten wir bedienen. Also habe ich die Chance genutzt und bin ausgestiegen und John hat die Chance genutzt und ist nun der Gitarrist.

Also kein böses Blut, dass du nun offiziell ersetzt wurdest?

Ich freue mich für John.

Dennoch gab es ein eher unrühmliches Ende, denn du hast die Band im Anschluss verklagt. Da du die Band selbst verlassen hattest, kann man sich über diesen Schritt eher wundern.

Nun ja, es gab Absprachen, die nicht eingehalten wurden. Ich bin zwar ausgestiegen, sollte aber immer noch Teil von Mötley Crüe bleiben. Ich sollte zwar keine Beteiligung an Gagen und Eintrittsgeldern bekommen, aber man hat mir zugesichert, dass ich weiterhin eine Beteiligung am Merchandise bekomme. Dies wurde nicht eingehalten, also musste ich mein Recht einklagen.

Dann kommt als nächstes, dass du in einem kürzlich gegebenen Interview gesagt hattest, dass du gerne wieder Songs für Mötley Crüe schreiben würdest. Erst verlässt du die Band, dann verklagst du die Band, dann willst du aber für die Band weiter Songs schreiben? Ich bin verwirrt.

„Mötley Crüe ist und bleibt ein wichtiger Teil meines Lebens“

Auch das ist korrekt. Nur, weil ich wegen einer Sache mit der Band gestritten hatte, heißt das nicht, dass ich die Jungs nicht liebe. Mötley Crüe ist und bleibt ein wichtiger Teil meines Lebens und ich würde es lieben, weitere Songs für sie zu schreiben, auch wenn John sie am Ende spielt. Das ist meine Überzeugung. Aber damit es dazu kommt, müssten die Jungs mich auch kontaktieren. Das ist seither nicht passiert.

Glaubst du denn, dass es noch passieren wird, mit dem Gerichtsprozess im Hintergrund?

Der Prozess wurde beigelegt und wir haben uns quasi hinter den Kulissen geeinigt. Der Punkt ist also vorbei. Ich wäre also bereit, aber wie gesagt, die Jungs müssten es auch sein. Und wenn sie irgendwann kommen würden, freue ich mich und machen gerne weiter und wenn nicht, dann ist das nicht weiter schlimm. Ich hatte eine tolle Zeit und wünsche den Jungs weiterhin nur das Beste.

Das sind doch versöhnliche Worte zum Abschluss. Mick, danke für deine Zeit. Ich wünsche dir viel Erfolg mit dem Album und freue mich auf weitere Musik von dir.

www.mick-mars.com

Text: Pat St. James

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