Interviews

Unleash The Archers: Raus mit dem Alten, um Platz für Neues zu schaffen

Die aus British Columbia, Kanada stammende Metalband Unleash The Archers haben insgesamt sechs Studio-Alben veröffentlicht, die letztem vier bei Napalm Records. Mit den letzten zwei („Abyss“ aus dem Jahr 2020 und „Phantoma“ aus dem Mai diesen Jahres) konnte sich das Quintett sogar in diversen Ländern (so auch in Deutschland) in den Album-Charts platzieren. Über das neueste Werk und vielen anderen Themen mehr konnten wir uns ausgiebig mit Sängerin Brittney Hayes auf dem Rockharz Festival in Ballenstedt unterhalten.

Hallo Brittney, ganz lieben Dank, dass du dir so knapp vor eurem Auftritt hier beim Rockharz Festival 2024 Zeit für die Leser des HARDLINE MAGAZINS nimmst! Zuerst einmal noch meinen Glückwunsch zu einem wirklich guten und abwechslungsreichen neuen Album! Bevor wir zu „Phantoma“ kommen, kurz zu dir. Mit welchen Bands und Künstlern bist du aufgewachsen und wer war am Ende dafür verantwortlich, dass du Sängerin geworden bist?

Ich bin tatsächlich mit Metal-Musik aufgewachsen, mein Vater hörte diese Art von Musik und hatte damals sein Abonnement bei Warner. Mein erstes Album, welches ich richtig gut fand, war „Countdown To Extinction“ von Megadeth im zarten Alter von acht Jahren. Mein älterer Bruder brachte mich dann mit Musik von White Zombie, Pantera, Incubus, Tool oder The Clash in Verbindung. Als ich dann zur Highschool kam, änderte sich das ein wenig, da waren dann auch andere Genres wie Pop und Hip-Hop vertreten. Das ging dann bis zu meinem achtzehnten Geburtstag, bis ich dann auf die Musik von Iron Maiden gestoßen bin. Ich war völlig fasziniert von den epischen aber gleichzeitig traditionellen Songs dieser Band. Dazu kamen dann Bands vom Schlage Queensrÿche, Judas Priest oder auch die Scorpions. Ich liebe Sänger, die eine ausdrucksstarke, emotionale Stimme haben, dazu gehören definitiv Geoff Tate und auch Daniel Heiman von der Band Lost Horizon.

Du hast eine grandiose Stimme mit diesem gewissen etwas, mit Wiedererkennungswert. Hast du Gesangunterricht genommen, hast du eine Person, die mit dir trainiert oder dir Ratschläge gibt?

Als ich auf der Universität war, habe ich einige Kurse gehabt, bei den ich eine ganze Menge gelernt habe. Dann hatte ich einmal eine Gesangunterrichts-Stunde bei einem Freund meiner Großeltern. In diesen zwei Stunden habe ich tatsächlich dermaßen viel gelernt, Atemtechnik, Stimmkontrolle und so weiter. Aber wo wir gerade darüber sprechen, es wäre wieder einmal an der Zeit … (lacht).

Zwischen 2009 und 2020 habt ihr insgesamt fünf Studio-Alben aufgenommen, die ersten vier konnten mit einer Tour begleitet werden, bei „Abyss“ konnten die Songs Corona/Pandemie-bedingt nicht aus dem Käfig gelassen werden. Es gab bei vielen Bands Verschiebungen, einige aber, wie zum Beispiel Accept, meinten, dass die Songs fertig sind und diese Songs raus müssen, Pandemie hin, Pandemie her. Ihr habt euch ebenfalls pro Release entschieden, im Nachhinein die richtige Entscheidung?

„raus mit den fertigen Songs, um Platz für Neues zu schaffen“

Es ist wirklich hart, wenn du Songs kreierst und aufnimmst und dann auf denen sitzen musst. Deswegen haben wir – genau wie Accept – entschieden, das Album, auch wenn der Zeitpunkt eventuell unglücklichen sein mag, zu veröffentlichen. Denn, was damals auch Usus war, viele Bands haben ihre Veröffentlichungen geschoben, kaum jemand hat wie geplant die Musik herausgebracht. Zudem haben viele Metalfans nach neuen Songs gelechzt, denn diese neue Musik, diese neuen Songs hat denen teils Kraft gegeben, diese Pandemie zumindest ein kleines Stück weit besser zu gestalten. Last but not least hatten auch wir in dieser Phase musikalisch nicht viel zu tun, also raus mit den fertigen Songs, um Platz für Neues zu schaffen. Und am Ende wusste ja auch niemand von uns, wann es wieder weitergeht, ob es weitergeht. Wir Musiker und alle, die daran beteiligt waren, waren die ersten, die aufhören mussten und waren auch die letzten, die wieder starten durften.

Dann ging es irgendwann wieder los, im Rückspiegel betrachtet, wie aufgeregt warst du bei Restart?

„wir waren nicht aufgeregt, we were ready!“

Nein, ich bzw. wir waren überhaupt nicht aufgeregt, we were ready! Der Restart erfolgte für uns in Amerika, weil die USA ihre Türen für Musik als erstes wieder öffneten. Klar waren die Masken da, klar waren viele Regeln damals einzuhalten, aber wir konnten spielen!

Kommen wir mit großen Schritten zum neuen Werk „Phantoma“ dass durch deine persönlichen Veränderungen ganz anders entstanden ist als die Vorgänger. Ihr, Scott und du, seid Eltern einer Tochter geworden, dazu nachträglich unseren Glückwunsch! Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass so ein kleines neues Leben den bislang erlebten Alltag komplett durcheinanderwirbelt, es ändert sich vieles. Ich persönlich finde das neue Album richtig gut gelungen, im Gegensatz zu den Erstlingswerken mehr in Richtung Powermetal, recht selten wie auf „The Collective“ oder „Ghost In The Mind“ noch mit Screams. Mir gefallenauf dem neuen Silberling „Gods In Decay“, „Give It Up Or Give It All”, „Ghosts In The Mist“ und last but not least „Seeking Vengeance“ am besten. Wie zufrieden bist du mit dem neuen Longplayer?

Wir alle sind super happy damit. Da es unter anderem während der Pandemie geschrieben wurde, ist es ein wenig dunkler als die Bisherigen. Ich denke, dass wir uns soundtechnisch weiterentwickelt haben und dass das Album sehr vielfältig ausgefallen ist. Außerdem sind die Songs auch gut live gut zu performen, und wenn wir Spaß auf der Bühne haben, dann wird sich das auch auf die Zuschauer übertragen.

Wie könne sich die Fans den Entstehungsprozess bei einem Song im Hause Unleash The Archers vorstellen? Zuerst Musik, dann Text, andersherum? Wer schreib bei euch die Texte, wer ist für das musikalische verantwortlich?

„Jakob Hansen setzt dem Ganzen dann mit Mix und Mastering noch einmal die Krone auf“

Erst Musik, dann Text. Es sind bei uns immer Konzeptalbum, also startet alles mit Chapter One gefolgt von Chapter Two und so weiter. Dann sende ich die Ideen an die Jungs, die dann die Gitarren-Riffs dafür kreieren. Und wenn das Album musikalisch steht, dann schreibe ich die Story zu den Melodien und am Ende geht das Gesamtwerk zu Jakob Hansen, der dem Ganzen dann mit Mix und Mastering noch einmal die Krone aufsetzt.

„Phantoma“ erreichte auf Anhieb Platz 33 der deutschen Albumcharts, nach „Abyss“ aus 2020 bereits die zweite Platzierung in Folge, auf die deutschen Fans ist Verlass. Verfolgt ihr dieses oder spielen solche Platzierungen eher eine untergeordnete Rolle?

Es ist in der Tat schön zu sehen, aber es ist wichtiger für unser Label bzw. für das Marketing. Klar verstehe ich, dass die Chartplatzierung auch immer etwas mit den verkauften Einheiten zu tun hat, aber mich motivieren andere Dinge, um erneut Alben zu produzieren. Es ist wie beschrieben ein großartiges Gefühl, aber kein entscheidendes.

Kommen wir abschließend zum Thema Live: Ein Thema, welches ich mir gerade in deiner aktuellen Lebensphase als junge Mutter nicht als ganz so einfach vorstgelle. Wer kümmert sich während des Gigs um die Kleine und wie entspannt bist du während dieser Phase auf der Bühne?

Als wir in Australien und Neuseeland unterwegs waren, passten unsere Eltern in Vancouver auf die Kleine auf. Ansonsten ist sie bei uns, wir leben nicht im Zelt, wir buchen unsere Locations immer auf airbnb und haben eine Nanny dabei, die sich während der Auftritte um die Kleien kümmert. So kann ich während der Auftritte, was dieses Thema angeht, abschalten und mich ganz auf den Auftritt konzentrieren.

Ihr seit von Anfang bis Mitte Juni in Australien und Neuseeland aufgetreten, wie wurden die Songs des neuen Albums aufgenommen?

„wenn wir auf der Bühne Spaß haben, dann überträgt sich das in der Regel auch aufs Publikum“

Tatsächlich wirklich gut, auch wenn natürlich nicht alle sich das neue Album schon zugelegt haben und damit auch nicht alle komplett mitsingen konnten. Aber es brachte unheimlich viel Spaß, die neuen Lider endlich auch live zu performen und wie schon gesagt, wenn wir auf der Bühne Spaß haben, dann überträgt sich das in der Regel auch aufs Publikum.

Insgesamt ist „Phantoma“ das mittlerweile sechste Studio-Album, wie schwer ist es für euch, eine Setlist zusammenzustellen und wer zeigt sich dafür bei euch verantwortlich, die Frau im Haus?

Setlist = Oh mein Gott! Wir legen zusammen die Songs zusammen fest, ich komme mit einem Vorschlag, die dann besprochen, teils heiß diskutiert werden. Fünf Personen gleich fünf Meinungen (lacht).

Ihr seid wie schon berichtet, weltweit unterwegs, gibt es für dich eine Lieblings-Lokation, ein Lieblings-Festival, weltweit betrachtet?

Wir haben unsere allererste Album-Release-Show im Mai 2024 in unserer Heimatstadt Victoria gespielt. Es war eine so warme Atmosphäre, auch, weil viele Fans und Freunde damals anwesend waren, das war schon sehr speziell. Ansonsten kann ich gar keine Lieblings-Locations, keine Lieblings-Festivals nennen, weil wir uns immer freuen, wenn Zuschauer und Fans uns sehen wollen.

Brittney, das war es in aller Kürze, ganz lieben Dank, dass du dir Zeit für uns genommen hast, viel Spaß gleich bei eurem Auftritt und weiterhin alles erdenklich Gute als Elternteil, genieße die Phase!!!

Text & Fotos: Alexander Stock