Großes Interview mit Joacim Cans / Hammefall: „Avenge The Fallen“ soll vor allem eines, positive Vibes transportieren!
Gegründet im Jahr 1993 brachten die Schweden von Hammerfall den Heavy Metal in einer Grunge-geprägten Phase Mitte der neunziger Jahre, nach langer Zeit des Darbens, wieder zurück ans Tageslicht, das Album „Glory To The Brave“ öffnet dem Gerne wieder die Tür. Bis zum heutigen Tag hat die Band insgesamt zwölf Studio-Alben veröffentlicht, Nummer dreizehn steht ab Anfang August 2024 im Startblock. Neben dem Gitarristen und musikalischen Kopf Oskar Dronjak ist Sänger Joacim Cans das einzige Mitglied, welches auf jedem Silberling vertreten ist. Mit ihm konnten wir uns ausführlich über das neue Werl, getauft auf den Namen „Avenge The Fallen“, aber auch über viele andere Themen unterhalten ….
Joacim, ganz lieben Dank, dass du dir Zeit für die Leser des HARDLINE MAGAZINs nimmst und Glückwunsch zum neuen Album. Kurz zu deiner Person, du bist 1970 zur Welt gekommen, ein Kind der achtziger Jahre. Mit welchen Bands bist du aufgewachsen und wer war „schuld“, dass du ins Musik-Business gekommen bist?
Schuld war tatsächlich mein Nachbar, der damals wie heute vier Jahre älter war als ich. Er war es, der mich in einem Alter von elf Jahren zum Heavy Metal gebracht hat, in dem er mir das „Breaker“-Album von Accept vorgespielt hat. Ab diesem Moment war es um mich geschehen, diese Art von Musik bohrte sich tief in mein Herz. Am folgenden Tag bin ich sofort in ein Musikgeschäft gegangen, um mir exakt dieses Album ebenfalls zu kaufen. In diesem Fall hatte ich Pech, denn das Album war restlos ausverkauft, aber Glück im Unglück, dadurch bin ich auf das Saxon-Album „Strong Arm Of The Law“ gestoßen und habe diese käuflich erworben, mein erstes Langspiel-Album. Saxon kannte ich vorher nur als Schriftzug auf den Patches. Mein erstes musikalisches Idol kam aber nicht aus dem Genre Heavy Metal, es war Adam Ant, Frontman bei Adam & the Ants.
Das mit dem Heavy Metal hast du dann ja kurzfristig nachgeholt (lach).
Das stimmt, wie erzählt war meine erste Scheibe die von Saxon, die zweite stammte von RIOT mit dem Titel „Fire Down Under“ gefolgt von Picture mit „Eternal Dark“.
Was war denn dein erstes Live-Konzert, welches du besucht hast?
Das war tatsächlich eine lokale Band namens Great King Rat. Solltest du die nicht kennen, der Bassist ging zu Thunder, der Drummer hat zusammen mit Glenn Hughes oder den Electric Boys musiziert, der Gitarrist ging nach Los Angeles und machte dort Karriere. Ich erinnere mich noch an die ohrenbetäubende Lautstärke, ich hatte das Gefühl, jede Band wollte an Manowar herankommen (lacht).
Dann einen langen Schritt ins nächste Jahrtausend, du hast mit „Beyond The Gates“ im Jahr 2004 ein grandioses Solo-Album herausgebracht, Songs wie „The Key“, „Garden Of Evil und vor allem „Dreams“ höre ich heute noch. War dieses Album damals aufgrund des Unfalls von Oskar entstanden, gab es andere Gründe dafür und ist ein weiteres Solo-Werk von dir, wann auch immer, im Bereich des Möglichen?
Lass mich mit dem letzten Teil deiner Frage beginne: Nein, es ist aktuell kein weiteres Solo-Album geplant. Ich habe meinen kompletten Fokus auf Hammerfall, alles andere wäre der Band gegenüber auch nicht gerecht. Aber wenn ich tatsächlich noch ein weiteres Solo-Album machen würde, es wäre ein komplett anderes Genre als Heavy Metal. Ich glaube, ich würde es wie vor elf Jahren bei meinem schwedischen Album „Nu Kan Mörkret Falla“ machen, einen Mix aus Pop und Folk. Das erste Solo-Album war aus dem Grund entstanden, dass ich während der „Crimson Thunder“-Tour keinen Alkohol trank und so meinen Kopf frei hatte. Die anderen haben also während dieser Zeit Party gemacht und ich habe Songs kreiert, Lieder, die aber stilistisch nicht zu Hammerfall passten. Eines Tages kam mir dann im Hotel die Idee, mit Musikern, mit denen ich aufwuchs, die mich inspiriert habe, diese Songs aufzunehmen, mit denen zusammen Musik zu machen. Hier waren dann unter anderem Mark Zonder von Warlord oder Mat Sinner mit am Start.
Dann mit großen Schritten zum neuen Werk „Avenge The Fallen“, wessen Idee war der Albumtitel und wie lange habt ihr gebraucht, um diesen festzulegen. Gerade der Titel ist ja gerne ein Diskussionsthema ..
Wir nehmen normalerweise immer einen Song, der so heißt, wie das Album. Wir haben so glaube ich am Ende aus drei Songs ausgewählt, am Ende fiel dann unsere Wahl auf „Avenge The Fallen“, weil wir da Gefühl haben, dass es am meisten Power hat. Dazu kommt, dass er auch zum Cover am besten passt. Es gab daher wie so oft kaum Diskussion und wir legten uns recht schnell fest.
„Das Album soll positive Vibes transportieren“
Wie entsteht ein Song im Hause Hammerfall, zuerst Musik, dann Text, andersherum? Oft schreiben die Sänger die Texte, weil sie diese am Ende auch interpretieren, wie ist das bei dir? Und wenn dem so ist, wie sehr hast du die weltpolitische Lage mit all ihren Krisen dabei im Hinterkopf?
Ich fange wieder mit dem letzten Teil deiner Frage an, die meisten Texte stammen aus meiner Feder. Ich habe beim Schreiben der Texte keine genauen Brandherde dieser Welt im Hinterkopf, sie sind definitiv nicht politisch oder drehen sich um die aktuellen Kriege und Krisen dieser Welt. Das Album soll genau das Gegenteil bewirken, es soll positive Vibes transportieren. Das musikalische kommt vorwiegend von Oscar.
Wann schreibst du die Songs, wann kreiert ihr die Songs?
Die ersten fünfzehn Jahre haben wir grundsätzlich nichts gemixt, Tour war Tour, dann gabs den Schreib-Prozess und final kreierten wir dann das Musikalische. In den letzten zehn Jahren hat sich da geändert, Oscar ist ständig am Komponieren, sogar wenn ich meine Gesangsparts einsinge. So kann es durchaus vorkommen, dass wir recht spontan einen Song fertigbekommen. Der aktuell normale Weg ist, dass mir Oscar seine Idee als Demo sendet, wo ich dann die Gesangsmelodien draufpacke. Es ist beim neuen Album aber auch vorkommen, dass wir Melodien, die wir vor vielen Jahren kreiert haben, jetzt ausarbeiten, einfach, weil der Zeitpunkt nun der richtige ist
„Hope Springs Eternal“ ist definitiv ein Highlight auf dem neuen Album!“
Oft ist ein Album ja schon Wochen vor Release fertig, hast du Favoriten auf dem Album? Mir gefallen Hero To All“, Hope Springs Eternal“, „Capture The Dream“, „Rise Of Evil“ oder das abschließende „Time Immemorial“ am besten …
Einer meiner persönlichen Favoriten ist der letzte Song “Time Immemoria”, der sich allerdings eher weniger für die Konzerte anbietet. Ich persönlich liebe alle Songs, wo ich das Gefühl habe, dass meine Stimme bei den Aufnahmen gut funktioniert hat. Aber um ehrlich zu sein, kommt die Frage jetzt noch ein wenig zu früh, das Album ist brandneu, in einigen Monaten könnte ich die Frage bestimmt besser beantworten, wenn die Titel ein wenig geatmet haben. Aber definitiv schon jetzt ein Highlight ist „Hope Springs Eternal“, den wir eventuell auch mit in die Setlist nehmen werden, allerdings erst im nächsten Jahr.
„Glory To The Brave“ war wirklich der Türöffner für ein ganzes Genre“
Mit „Avenge The Fallen“ veröffentlicht ihr das mittlerweile 13. Studio Album. Bei einem Blick zurück, was waren für dich bislang die Album-Highlights, nicht aus kommerzieller Sicht, sondern aus Künstler-Sicht? Meine Favoriten sind die ersten drei, Glory To The Brave, „Legacy Of Kings”, Renegade, dazu “Threshold”, “No Sacrifice”, No Victory” und “Hammer of Dawn”.
Ich glaube, dass es nicht das eine Album, nicht den einen Song gibt, den Hammerfall gut umschreibt, ich denke, dass es die gesamten jetzt dreizehn Alben tun, denn diese Alben sind unsere Geschichte. Aber wenn man ein Album ein wenig herausheben muss, dann ist es das erste, „Glory To The Brave“. Dieses Album haben wir veröffentlicht, als viele nicht mehr wirklich an Heavy Metal geglaubt haben. Dieses Album bedeutet mir, bedeute der Band sehr sehr viel, zumal es wirklich der Türöffner für ein ganzes Genre war. Dann würde ich noch das Album „(r)Evolution“ nennen wollen, welches wir nach unserem knapp zweijährigen Break im Jahr 2014 veröffentlicht hatten. Von da an ging es erfolgsmäßig bis zum heutigen Tag immer weiter bergauf.
Wo du es gerade ansprichst, gerade in Deutschland seid ihr extrem erfolgreich, fast alle Alben in den Top-Ten der Albumcharts. Wie wichtig ist euch das, registriert ihr dieses als Band?
Natürlich bekommen wir die Platzierung in den Charts mit, wir sind sehr froh über die hohen Platzierungen und dankbar unseren loyalen Fans gegenüber. Aber extrem wichtig sind diese Platzierungen in erster Linie für das Plattenlabel, die dieses dann entsprechend platzieren können.
Letztes Thema Live: Ich konnte euch vor knapp zwei Wochen beim Rockharz erleben, genieße jede eurer Shows, auch weil sie immer ehrlich wirken. Nun spielt ihr sowohl in Clubs, in größeren Hallen als auch auf Festivals, was reizt dich persönlich am meisten? Die schwüle der kleineren Klubs oder eher die großen Festivals, wo man sich Teile des Publikums erarbeiten muss?
Ich fand das Rockharz auch klasse, und dieses, obwohl ich krank war. Ich hoffe, dass man es nicht wirklich gemerkt hat, ich habe es bewusst niemand erzählt, weil wenn man darüber spricht, wird man exakt darauf reduziert. Auf Festivals zu spielen bring jede Menge Spaß, man trifft viele bekannte Gesichter, man hat zusammen eine großartige Zeit. Wenn man auf eine Tour geht, hat das einen ganz anderen Charakter, man spielt seine eigene Show, man präsentiert meist das neue Album, die Fans kommen wegen einem selbst. Ich bevorzuge ganz klar die großen Hallen, so wie wir sie zusammen mit Halloween gespielt haben. Die Hallen sind groß, die Ränge sind voll, man hatte Fans vor sich und auch an den Seiten, es war fantastisch. Auf Festivals wie in Wacken ist es teilweise schwierig, weil gerade dort sieht man nichts außer Menschen, du stehst dann dort auf der Bühne, 60.000 Zuschauer vor einem, allerdings durch den Graben so weit weg, dann man schwierig Kontakt zu den einzelnen Personen aufnehmen kann. Das geht in den großen Hallen tatsächlich um einiges besser.
„ich bin 54 Jahre alt, meine Stimme ist nach wie vor da, ich treffe die hohen Töne“
Ich konnte dich wie schon erwähnt beim Rockharz erleben, deine Stimme war wie immer grandios. Trainierst du die eigentlich regelmäßig? Ich hatte vor Jahren ein Interview mit Victor Smolski, der mir mitgeteilt hat, dass er jeden Tag an der Gitarre übt, auch, um nicht einzurosten …
Vor zirka dreißig Jahren habe ich eine Musikschule besucht um singen zu lernen, Atmung, Timimg, Technik, wie schütze ich meine Stimme und so weiter. Aber aktuell habe ich keine Lehrer dafür, ich nutze aber immer meine Erfahrung und versuche, dem Fehler immer einen Schritt voraus zu sein. Bislang klappt das recht gut, ich bin jetzt 54 Jahre alt, meine Stimme ist nach wie vor da, ich treffe noch problemlos auch die hohen Töne, da gibt es andere, die anfangen, zu straucheln.
Joacim, das war es in aller Kürze, ganz lieben Dank viel Erfolg für das Album, vor allem aber bleib gesund!
Das wünsche ich dir auch!
Text + Bilder: Alexander Stock