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DIANNE VAN GIERSBERGEN – Wieder zurück auf der Bildfläche.

Die Metalwelt kennt DIANNE VAN GIERSBERGEN wohl vor allem als Sängerin bei Xandria, wo sie von 2013 – 2017 tätig gewesen ist. Nach ihrem Ausstieg bei Xandria hat die Niederländerin mit ihrer Band Ex Libris noch drei EPs veröffentlicht, bevor sie von der Bildfläche verschwand. Anfang des Jahres gab es nun ein neues Lebenszeichen der Sopranistin. Sie postete ein Bild, dass von vielen als Cover eines Soloalbums gedeutet wurde und kurz darauf folgte mit „After The Storm“ auch bereits der erste Song inklusive Video. Vor kurzem folgte mit „Unleash The Siren“ die zweite Single. Warum die Fans dennoch etwas länger auf ein Album warten müssen, hat uns die sympathische Sängerin im Interview verraten.

HARDLINE: Dianne, wenn man dir auf den sozialen Medien folgt, dann sieht man dich gelassen und stetig lachend. Du scheinst absolut glücklich zu sein und mit deiner Vergangenheit angeschlossen zu haben.

DIANNE VAN GIERSBERGEN: Ich bin total glücklich derzeit. Es könnte gerade nicht besser laufen. Seit der Veröffentlichung geht alles drunter und drüber und meine Wochen sind vollgepackt. Es ist einfach großartig, wieder zurück zu sein.

HL: Das ist schön zu hören. Ich habe die Songs auch inzwischen mehrfach gehört und sie gefallen mir sehr. Es ist toll, dass du wieder zum Symphonic Metal zurückgefunden hast. Aber es hat eine Weile gedauert, bis etwas neues von dir zu hören war. Warum hast du dir Zeit gelassen?

DVG: Du bist natürlich nicht der Einzige, der das fragt, hahaha. Das stimmt, es hat eine Weile gedauert. Es sind in der Zwischenzeit mehrere Dinge passiert. Zum einen hatte ich meine Progressive Metalband Ex Libris, mit denen ich noch drei „Ann– EPs“ aufgenommen hatte. Wir hatten uns hier drei historische Ann‘s vorgenommen und jeweils eine EP über deren Schicksal aufgenommen. Da waren Anne Boleyn, Anastasia Romanowa, die Tochter des letzten Zaren und Anne Frank. Die EPs kamen in kurzen Abständen 2019 hintereinander raus. Dann habe ich noch eine eigene Schmuckkollektion, die ich etwas vorangetrieben habe. Ich kreiere aus alten Schlagzeugbecken oder Saiten Schmuckstücke. Das ist etwas, das ich sehr gepusht habe und weiter pushen werde, um meine Karriere neben der Musik voranzutreiben. Ich habe außerdem noch Zeit gebraucht, um eben die Vergangenheit hinter mir zu lassen, um dann schließlich meinen Weg zurück zum Symphonic Metal zu finden. Denn, wie alle inzwischen wissen, es ist viel passiert in der Vergangenheit. Ich habe das erste Jahr nach meinem Rückzug von Xandria gebraucht, um zu reflektieren was passiert ist und vor allem, wie es passiert ist. Ich bin immer noch verwundert, wie einige Dinge so schnell eskalieren konnten. Ich meine, wir waren eine solide, eingeschworene Gemeinschaft. So schien es zumindest. Aber es ging alles in eine total merkwürdige Richtung. Ich brauchte also dringend Zeit für mich, um darüber hinwegzukommen und meinen eigenen Weg zurückzufinden. Und vor allem einen Weg zu finden, der für mich funktioniert. Gemeinsam mit den Dingen, die ich schon genannt hatte, von denen ich auch wollte, dass sie vorankommen – also Ex Libris und meine Schmuckkollektion. Du siehst also, es gibt gute Gründe, warum es knapp fünf Jahre gedauert hat, um meinen ersten Song zu veröffentlichen. Ich nehme die Fans nun mit auf eine Reise. Ich möchte mit den Songs eine Geschichte erzählen. Was ist mir passiert. Wie bin ich damit umgegangen, und so weiter. Ich arbeite quasi Thema für Thema jetzt musikalisch ab. Ich bin niemand, der sein gesamtes Leben auf Facebook teilt. Wenn ich in mein inneres blicken lasse, dann sollte es poetisch korrekt sein, wenn ihr versteht, was ich meine, hahaha. Ich möchte halt nicht zu viele Details preisgeben und auch nicht länger als nötig in der Vergangenheit verweilen. Ich möchte aber auch, dass Menschen auch einen gewissen Bezug zu diesen Themen haben können. Jeder hat doch schon einmal etwas ähnliches erlebt. Dies würde ich allerdings nicht erreichen, wenn ich dies zu sehr mit mir verknüpfe. Ich möchte es trotz meiner eigenen Erfahrungen etwas allgemeiner halten.

HL: Du hast einen sehr interessanten Weg gewählt, um dein Album zu veröffentlichen. Normalerweise schreibt eine Band oder Künstler eine gute Anzahl an Songs, geht dann ins Studio und bringt dann ein komplettes Album heraus. Du allerdings möchtest pro Jahr nur zwei Songs veröffentlichen. Das bedeutet, bis wir dein komplettes Album am Stück hören können, sind fünf Jahre vergangen. Wieso dieser Weg? Man möchte doch, dass die Fans so viel wie möglich bekommen, damit sie sich in die Musik verlieben können. Allerdings ist das Business auch stetig in Bewegung und verändert sich. Von daher finde ich diesen Weg schon interessant.

DVG: Vom Band-Faktor habt ihr auf jeden Fall Recht. Da ist das Album immer noch oberste Priorität. Doch wenn man sich die Gegenseite anschaut, ich meine hier DJs – und Gegenseite meine ich nicht abfällig –, die halten sich nicht mit Alben auf. Die haben auch gar keine Zeit für ganze Alben. DJs veröffentlichen regelmäßig einzelne Singles und bleiben dadurch die ganze Zeit bei ihren Fans auf dem Radar. Und ich hatte schon darüber nachgedacht ein Album zu machen. Aber das würde auch Nachteile mit sich bringen. Wenn ich mich auf ein Album konzentriere, dann habe ich weniger bis gar keine Zeit für andere Dinge, wie zum Beispiel meine Schmuckkollektion. Allerdings verdiene ich genau damit meinen Lebensunterhalt. Was mir an einem Album aber auch nicht gefällt ist die Tatsache, dass sehr viele Leute nur die erste Hälfte des Albums hören und sich dann mit anderen Dingen beschäftigen. Die Aufmerksamkeit geht dann einfach verloren. Vor allem jetzt in dieser Zeit, wo Spotify regiert. Ja, und auch ich bekenne mich schuldig hier dazuzugehören. Du hörst einen Song und dann schlägt der Algorithmus von Spotify dir Playlisten und Songs vor, die dir vielleicht gefallen könnten. Man beginnt also neue Songs von anderen Künstlern zu erforschen, anstatt ein Album von Anfang bis Ende zu hören. Das ist natürlich für neue Künstler großartig, aber den Fans fehlt dann dennoch der Zusammenhang zum Gesamtwerk.

HL: Ich verstehe das total. Du hast sehr frühzeitig damit begonnen, deinen Fans zu verraten, dass du an einem Soloalbum arbeitest. Wie war die Reaktion der Fans?

DVG: Ich habe tatsächlich sehr früh die Sache angekündigt, hahaha. Im September 2022 habe ich angekündigt, dass neue Musik von mir kommt und im Februar 2023 kam dann die erste Single. Da liegt tatsächlich eine Menge Zeit dazwischen. Die Single „After The Storm“ erschien am 14. Februar. Aber das Datum war für mich enorm wichtig. Denn es war exakt fünf Jahre, nachdem ich Xandria verlassen hatte. Ich wollte den Fans an exakt dem Datum zeigen, dass ich wieder da bin. Dass es ich wieder Musik mache und dass ich es allerdings nach meinen Bedingungen mache. Von diesem Moment an, gab es richtig Bewegung auf meinen sozialen Medien. Ich konnte das ja in meinen Statistiken sehen. Ich bekam mehr Follower und mehr Reichweite. Es fand deutlich mehr Interaktionen mit allen statt. Ich könnte mir keine bessere Reaktion wünschen, wie dies.

HL: Das ist natürlich ein cleverer Schachzug, genau fünf Jahre nach deinem Ausstieg von Xandria dein neues Lebenszeichen zu posten. Dadurch hast du viel Aufmerksamkeit, was man vor allem daran gemerkt hat, dass du kurz nach der Veröffentlichung des Videos schon weit über einhunderttausend Klicks hattest, was beeindruckend ist.

DVG: Um ehrlich zu sein, das hat mich total überrascht. Ich habe mir gesagt, dass ich total zufrieden bin, wenn ich überhaupt zehntausend Klicks in der ersten Woche erreiche. Was dann allerdings passiert ist, hat mich umgehauen. Ich kann es immer noch nicht fassen. Aber ich muss hier auch die Verantwortung ein Stück weit abgeben, denn ich denke es liegt auch viel am Video. Das Video wurde von der Band Blackbriar produziert. Und die haben einen großartigen Job gemacht. Die haben mich fantastisch in Szene gesetzt. Es sieht aus, als ob ich der Serie Game of Thrones entsprungen bin (lacht).

HL: Kommen wir auf deine Band zu sprechen. Das ist schon beeindruckend, denn du hast unter anderem Isaac Delahaye von Epica an der Gitarre. Der Mann ist mit seiner Hauptband ja gut ausgelastet. Wie kam es dazu?

DVG: Ich muss erst einmal sagen, dass ich keine feste Band habe. Ich habe mir überlegt, für jeden Song ein anderes Line Up zu nutzen. Für „After The Storm“ habe ich Isaac, das ist korrekt, aber auch Johann van Stratum, der unter anderem auch bei Blind Guardian tätig ist. Und ich habe Joost van den Broeck, der unter anderem Epica produziert. Der war hier auch für Produktion und Arrangements verantwortlich. Für „Unleash The Siren“ konnte ich unter anderem Timo Somers gewinne, der früher bei Delain Gitarre gespielt hatte. Und an den Drums spielt Roel van Helden von Powerwolf. Das sind allesamt Freunde von mir. Ich habe gefragt, ob sie mich unterstützen würden und sie hatten zu den jeweiligen Zeitpunkten Zeit und haben mitgemacht. Ich habe einfach nach dem einfachsten und sichersten Weg gesucht Leute für meine Musik zu finden. Also warum nicht mit Leuten arbeiten, die du kennst und denen du vertraust? Leute, die dich bereits in der Vergangenheit unterstützt hatten und bei denen du nur einen Telefonanruf benötigst. Einen Anruf: ‚Hey, ich bin wieder da und mache wieder Musik. Ich benötige jemanden, der Lust hat, mit mir ins Studio zu gehen und eventuell später die Bühne zu stürmen.‘ Es gab viele, die mich gefragt haben, wie ich es geschafft habe Isaac oder Johann zu überzeugen. Ich meinte nur, ich habe sie angerufen. In Holland haben wir ein Sprichwort: ‚Ein Nein hast du sicher, es könnte allerdings ein Ja daraus werden.‘. Also. Wer nicht fragt, der wird es nie erfahren.

HL: Aber, du sagst es gerade. Das Ziel ist am Ende die Bühne. Du willst also wieder live spielen?

DVG: Ja, definitiv. Allerdings, wie ich auch sagte, zu meinen Bedingungen. Ich werde wohl nicht mehr so heftig touren, wie damals mit Xandria. Ab einen bestimmten Zeitpunkt ging es nur noch darum. Die Musik spielte dann nur noch eine Nebenrolle. Ich möchte auf die Bühne und ich möchte auf Tournee, allerdings habe ich andere Prioritäten wie meine Schmuckkollektion. Die bezahlt mir die Miete. Ich werde nicht viel Geld mit der Musik verdienen. Das muss ich aber auch nicht. Das ist für mich ein absoluter Bonus.

HL: Also wie Anette Olzon. Ich habe oft mit Anette geschrieben und telefoniert und sie sagte mir auch, dass Musik nur noch das Hobby ist. Sie ist eine Krankenschwester und das ist ihr Leben. Sie will nicht mehr auf die Bühne.

DVG: Ganz so krass ist es bei mir nicht, hahaha. Aber Anette hat vollkommen recht. Du hast deinen Beruf, der auch deine Leidenschaft ist. Wenn dieser Beruf dich ausfüllt und Musik dein Ausgleich ist, dann ist alles super. Wenn ich Musik machen kann und eventuell später mal eine kleine Tour mache und wieder mit Fans Kontakt habe, dann habe ich alles, was ich brauche.

HL: Auch wenn du jedes Jahr nur zwei Songs veröffentlichen willst, sind bereits alle Songs geschrieben und du musst sie nur noch aufnehmen?

DVG: Witzigerweise sind die beiden Songs, die jetzt draußen sind, die einzigen die geschrieben sind. Die anderen existieren noch nicht einmal auf Papier. Als „After The Storm“ raus war, kamen ständig Fans und fragten nach den nächsten Songs und da wuchs dann der Druck. Beim zweiten Song wurde es noch stärker. Ich glaube, ich muss mich jetzt beeilen. Vielleicht hält die Veröffentlichungsidee doch nicht so stand, wie gehofft (lacht).

HL: Aber immerhin können wir uns jetzt regelmäßig über neues Material von dir freuen.

DVG: Das auf jeden Fall.

HL: Dianne, danke für deine Zeit und das Gespräch. Wir wünschen dir viel Erfolg mit deiner Musik und sind sehr gespannt auf die nächsten Songs. Vielleicht sehen wir uns ja dann bald wieder auf der Bühne.

DVG: Da sehen wir uns bestimmt. Danke, dass ihr euch die Zeit genommen habt und danke für das Interesse. Bis bald.

www.diannevangiersbergen.com

Pat St. James