Großes Interview mit Nick Eede (Cutting Crew): Mich kickt es, wenn es laut ist und rockt!
Es gibt Single-Hits, die man auch nach Jahrzehnten immer noch gerne hört, so auch im Fall „(I Just) Died in Your Arms“ von der Band Cutting Crew. Nach einigen weiteren Chartplatzierungen („I’ve Been in Love Before”, „One for the Mockingbird”, „(Between A) Rock and a Hard Place”) wurde es dann ruhiger um die Band von Sänger und Gründungsmitglied Nick Van Eede, die sich 1993 für insgesamt zwölf Jahre trennte. Seit 2005 ist die Gruppe mit Nick Van Eede und neuen Mitgliedern wieder aktiv und ab Juli 2022 auch endlich wieder live in deutschen Städten zu erleben. Zu diesem Ereignis konnten wir uns ausführlich mit dem Mastermind unterhalten ….
Hardline: Nick – vielen Dank für die investierte Zeit, bevor wir zu Cutting Crew kommen, kurz zu deiner Person. 1958 in London zur Welt gekommen, also ein musikalisches Kind der End-Sechziger, in jedem Fall aber siebziger Jahre. Welche Bands haben dich geprägt, welche Künstler haben dich stilistisch beeinflusst und was war ausschlaggebend, es beruflich mit Musik zu versuchen?
Nick Van Eede: Hallo Alex, ich danke dir, dass du Zeit gefunden hast! Boaah, gleich zu Anfang eine recht umfangreiche Frage (lacht), also als junger Mensch habe ich Led Zeppelin, Supertramp – hier vor allem das Album „Crime Of The Century“, welches für mich eines der besten Alben aller Zeiten ist, sehr gerne gehört. Dann habe ich „die alten“ Genesis geliebt, habe mir sogar die Haare mit 14 Jahren mittig auf dem Kopf abrasiert, getreu dem Vorbild Peter Gabriel, ich fand´s toll, im Nachhinein war es wenig cool (lacht). Und neben den progressiveren Genesis interessierten mich auch die rockig-poppigen Police, hab sie auch live gesehen und mitbekommen, wie viel Spaß es machen kann, auf der Bühne gemeinsam zu musizieren. Musikalisch hat es sich in der Schule so ergeben, dass ich für eine Schulproduktion einige Songs schreiben konnte, so kam ich dann das erste Mal mit dem Kreieren von Songs in Berührung. Und der Rest nahm dann seinen Lauf …
Hardline: Auf einer Tour durch Kanada hast du den Gitarristen Kevin MacMichael kennengelernt, der dann kurze Zeit später nach England zog. Welche Argumente hattest du, um ihn von diesem Schritt zu überzeugen?
Nick Van Eede: Wir wurden damals auf der Tour in Kanada wirklich gute Freunde. Ich spielte mit meiner Drei-Mann-Band damals in Kanada, Kevin war mit seiner Gruppe Support. Ich sprach ihn eines Tages an und fragte ihn, ob er sich zutraut und Bock hat, mit mir eine Band zu gründen. Er sollte dafür nach England kommen, ich lobte ein Jahr als Zeitspanne für dieses Vorhaben aus. Er kam dann tatsächlich nach England, machte diesen großen Schritt, einzig bewaffnet mit einer Tasche über der Schulter und seiner akustischen Gitarre, kein weiterer Koffer, nichts! Neun Monate später unterzeichneten wir unseren ersten Plattendeal.
Hardline: Dann mit großen Schritten zu Cutting Crew. Viele der Menschen, denen es vergönnt war, die achtziger Jahre komplett zu erleben, kennen den Überhit „(I Just) Died in Your Arms“. Auch heute noch spielen die Radio-Stationen weltweit diesen Song. Während andere Bands wie zum Beispiel die Simple Minds, U2 oder auch Duran Duran einige Zeit brauchten, um den Durchbruch zu schaffen, wart ihr gleich zu Beginn fast am Gipfel. Ist dieser Riesenerfolg gleich zu Beginn Fluch und Segen zugleich? Weil so einen Hit zu toppen oder gar zu übertreffen ist extrem schwer bzw. kaum machbar.
Nick Van Eede: Aktuell hier zu sitzen ist definitiv die Folge von „(I Just) Died in Your Arms“. Aber du hast natürlich recht, Bands wie Duran Duran oder U2 haben fünfzehn und mehr Hit-Singles, wir nicht. Wir waren alles wirklich gute Musiker, aber entgegen unserem Plan wollte das Label direkt nach dem ersten Hören unbedingt, dass „(I Just) Died in Your Arms“ sofort als Single veröffentlicht werden soll. Wir wollten damit noch ein wenig warten, gaben aber nach. Der Song kam heraus und katapultierte uns in vielen Ländern der Welt von 0 auf 1. Eigentlich hätten danach noch weitere Hochkaräter kommen sollen, kamen aber nicht. Danach ging es für uns auf eine ewig lange Tour, die uns ein wenig die Zeit nahm, in Ruhe das Nachfolge-Album zu kreieren. Ein amerikanischer Redakteur meinte dann zum zweiten Album „The Scattering“, dass es ein wirklich tolles Album ist, nur halt ohne einen Hit-Song vom Kaliber „(I Just) Died in Your Arms“, also – um deine Frage zu beantworten – sowohl Fluch als auch Segen.
Hardline: Viele Musiker haben als der Erfolg nachließ bzw. ausblieb zu Alkohol oder Drogen gegriffen. Wer hat dich in dieser Phase unterstützt? War deine Familie, deine Tochter eventuell ein Grund, dieses nicht zu tun?
Nick Van Eede: Ach weißt du, ich komme vom Land, bin in einfachen, normalen Verhältnissen groß geworden, da tickt man ein wenig anders. Viele Leute haben, nach dem Erfolg mit „(I Just) Died in Your Arms“ und dem Album „Broadcast“ geraten, nach Amerika zu gehen, um dort unsere Karriere noch einmal auf eine höhere Ebene zu legen. Wir hatten dort eine Grammy Nominierung, der Manager von Hall & Oates, der Manager von Madonna, alle wollten uns zu der Zeit managen. Ich entschied mich dagegen, weil meine Tochter mal gerade 1,5 Jahre alt war, also entschied ich mich dagegen. Und auch im Nachhinein bin ich stolz auf meine Entscheidung, meine Tochter ist mein bester Freund. Ich kam also nie großartig in Versuchung, Drogen oder so etwas zu nehmen.
Hardline: Nach Album Nummer zwei haben Bassist Colin Farley und der Schlagzeuger Martin Beedle die Band verlassen. Was waren damals die Gründe und besteht zu den beiden noch Kontakt?
Nick Van Eede: Nachdem wir zehn Jahre, aus verschiedenen aber nicht negativen Gründen, irgendwie überhaupt keinen Kontakt hatten, ist dieser jetzt seit einiger Zeit wieder vorhanden. Colin schreibt für andere Künstler, Martin – im Übrigen der beste Drummer, mit dem ich je zusammenarbeiten durfte – und zwar egal in welcher Location, ob große Arena oder im Pub – hat für sieben Jahre bei Mamma Mia das Schlagzeug bedient. Das Lustige an diesem Job war, dass er nicht etwa auf der Bühne gespielt hat, sondern in einem kleinen Raum irgendwo neben der Bühne, der dann via Video mit der Bühne verbunden war. Im Prinzip hätte er dort auch nackt spielen können, es hätte wohl niemand mitbekommen (lacht).
Hardline: Wenn der Kontakt wieder da ist, wäre eine Reunion – wissend, dass Kevin MacMichael 2002 gestorben ist – der Band mit Martin und Colin vorstellbar?
Nick Van Eede: Es kann durchaus sein, dass wir irgendwann tatsächlich wieder zusammenkommen, es ist jetzt aber nicht das Erste, was auf meiner persönlichen To-Do-Liste steht.
Hardline: Dann habe ich das Album „Add To Favourites“ gehört, diverse Stile wie Blues bei „Kept On Lovin You“, das teils rockige „Berlin In Winter“ und ruhigeren Nummern wie „Already Gone“ oder „Only For You“ oder „(She Just Happened To Be) Beautiful“. Als Redakteur eines Rockmagazins hätte ich mir mehr Songs vom Schlage „Berlin In Winter“ gewünscht, denn dass du das kannst, hast du ja bewiesen.
Nick Van Eede: Wenn du zu uns zu den Konzerten mit der gesamten Band kommst, wirst du sehen, dass wir eine Rockband sind, nicht wie Judas Priest, aber definitiv keine Popband. Mich kickt es auch persönlich, wenn es laut ist und rockt! Ich gebe zu, „Add To Favourites“ ist ein Album mit wirklich verschiedenen Stilrichtungen, aber live entfalten sich die Songs anders als auf dem Album, glaube mir.
Hardline: Euer oder besser gesagt, dein letztes Album „Ransomed Healed Restored Forgiven“ ist ein Best of Cutting Crew in orchestraler Version, veröffentlicht im April 2020, einer Phase, wo Corona langsam das Leben der Menschen veränderte, Lockdowns auf der ganzen Welt folgten. Wie hart war es für dich, so ein Album zu veröffentlichen und nicht damit auf Tour gehen zu können? Oder waren solche Pläne nicht vorhanden?
Nick Van Eede: Es war wirklich nicht möglich, das Album zu promoten, wir hatten im Februar insgesamt fünf Auftritte in Großbritannien, es war grandios, aber das war es dann für eine lange Zeit. Als ich dann nach dieser endlosen Zeit endlich wieder live performen konnte und vor dem ganzen Orchester stand, musste ich aufpassen, dass ich nicht angefangen habe, zu weinen oder mir andere Sachen passieren (lacht). Es ist wirklich ein wunderbarer Moment, wenn du auf der Bühne stehst und dann über die Schulter schaust und das Orchester und deine Band siehst und weißt, es geht wieder los!
Hardline: Wo wir beim Thema sind: Nun bist du mit der Cutting Crew wieder auf Tour. Erzähl kurz, wie es dazu gekommen war, lange geplant oder eher eine spontane, weil gerade machbare Idee?
Nick Van Eede: Bis Ende Februar haben wir tatsächlich noch gar nichts gebucht, denn zu dieser Zeit befanden wir uns in Europa ja hauptsächlich noch in den Lockdowns, die Voraussetzungen für Live-Gigs waren ja noch überhaupt nicht gegeben. Wir haben es dann tatsächlich zusammen mit MPF Concerts in kürzester Zeit geschafft, eine Tour zusammenzustellen. Die Hälfte dieser Tour im Juli, wird mit der kompletten Sechs-Mann-Band stattfinden, die andere Hälfte im August wird eine akustische Geschichte, gepaart mit Geschichten aus meinem Leben werden, dieses zusammen mit meinem Gitarristen Gareth Moulton und Tom Arnold, der unter anderem das Keyboard, Akkordeon, Percussion und einiges andere Instrumente bedient. Ich denke, es wird eine wirklich interessante Tour.
Hardline: Letzte Frage für den Moment, sieben Jahre nach dem letzten Studioalbum sind eine lange Zeit. Ist ein neuer Longplayer in Planungen, sind eventuell schon neue Songs fertig?
Nick Van Eede: Es soll definitiv ein neues Album kommen, wann genau, kann ich dir nicht sagen, denn während der Corona-Phase habe ich tatsächlich keinen einzigen neuen Song kreiert, dieses wird aber jetzt wieder losgehen. Stattdessen habe ich ein Buch geschrieben, welches bald erscheinen wird. Meine 87 Jahre alte Mutter fand es gut, inhaltlich an der einen oder anderen Stelle jedoch schwierig (lacht).
Hardline: Dann wünschen wir dir für das Buch großen Erfolg und für die neuen Songs ein glückliches Händchen, gerne viele rockige Stücke! Nick, vielen Dank für deine investierte Zeit, bleib gesund!
Nick Van Eede: Ich danke dir und dem Hardline, wir sehen uns im August in Hamburg!
CUTTING CREW
35th Anniverssary Tour 2022
07.07 Mainz, KUZ-Club
09.07 Suhl, SOS-Festival
10.07 Erding, Stadthalle
10.08 Bamberg, Jazz & Blues Festival
11.08 Hamburg, Downtown Open Air
12.08 Schwerin, Schloß Open Air
14.08 Hiddensee, Zeltkino
15.08 Hiddensee, Zeltkino
27.08 Brüggen Klassik(er)