Interviews

Das große Interview mit Stefan Kleinkrieg – über Sehnsuchtsorte und neue „alte“ Lieder auf „Abgelehnt“

Ein Rückblick in die Vergangenheit

Anfang der Achtzigerjahre gab es die Neue Deutsche Welle, einer der Nutznießer war die Band Extrabreit aus Hagen, die zwar musikalisch nicht so ganz da hineinpasste, aber das interessierte damals keinen so richtig. Gründer der Band ist der Gitarrist Stefan Kleinkrieg. Nachdem die Band vor zwei Jahren mit ihrem Album „Auf Ex!“ wieder auf sich aufmerksam gemacht hat, kommt im Februar von ihm ein Soloalbum auf den Markt. Stefan nahm sich Zeit für uns über das Album, Extrabreit und alte Zeiten zu reden.

„Ich will nicht behaupten es ist ein Alterswerk, aber es ist schon anders“

Hardline: Stefan, dass ich mal eine Legende der NDW ans Telefon bekomme, das freut mich. Darf man überhaupt von Legende sprechen?

Stefan Kleinkrieg: Das stört mich nicht, aber ich lege da auch keinen Wert drauf. Ich war froh, dass wir das in der Zeit gehabt haben. Hinterher hat uns das ein bisschen gestört, als diese ganze Geschichte unterging und alle darauf rumgehackt haben, hat uns das als Band ein bisschen nach hinten geworfen, aber auch damit sind wir fertig geworden.

HL: Ich habe ja dein neues Album schon paarmal gehört, es gefällt mir ganz gut.

SK: Das freut mich, es ist ja doch etwas anderes, als was wir mit den Breiten machen, ich will nicht behaupten es ist ein Alterswerk, aber es ist schon anders.

HL: Als ich das Album das erste Mal gehört habe, hatte ich die Vermutung, dass du deine Vergangenheit abgearbeitet hast.

SK: Ich bin letztes Jahr 66 Jahre alt geworden, da guckt man auf eine weitere Strecke zurück, als die, die noch vor einem liegt. Ich find das völlig legitim, dass man darüber was macht, ich mach nicht Musik für Leute, die jetzt 25 sind, die werden sich da wohl nicht so interessieren, für diese Art von Geschichten, die ich da zum Besten gebe. Das sind heute Leute in meiner Altersklasse, die honorieren das eigentlich ganz gut. Ich habe da überhaupt kein Problem mit, es gibt immer welche die sagen, du musst aber positiver sein. Ich find das nicht negativ, das ist meine Art mit Zeit umzugehen, das heißt jetzt aber auch nicht, dass ich keine Pläne mehr habe, das sind aber auch Wiederholungen von Dingen, die ich schon gemacht habe.

Stefan Kleinkrief, Photo-Credit by Dirk Schmidt

HL: Dein Cover sieht ja auch so ein bisschen Retro mäßig aus.

SK: Das ist bei uns hinter dem Bahnhof in Hagen, das war eine ehemalige Schraubenfabrik und ich fand diesen Twist gut. Den Albumtitel hatte ich schon lange vorher, weil auch eine Nummer auf dem Album so heißt, was aber damit nichts zu tun hat. Ich fand einfach diese Aussage, die Sonne scheint für alle, egal wie schlecht du bist als Mensch oder wie gut, es interessiert die Sonne nicht, die scheint auch nicht ein bisschen weniger für jemanden oder ein bisschen mehr für jemand, sondern ist eine gleichbleibende Konstante. Ich fand diesen Twist mit dieser runtergekommenen Fabrik dazu, was dadurch entsteht. 

HL: Im Gegensatz zu deinem letzten Soloalbum „Abgelehnt“, ist das neue Album doch ruhiger geworden.

SK: „Abgelehnt“ ist ja kein Album in dem Sinne, das ist eine Werkschau, das waren Demos, die bei mir zu Hause noch herum lagen. Einer von meinen Freunden sagte mal, willst du das eigentlich nochmal herausbringen? Ich sagte nur, das kann ich mir gar nicht erlauben, das kostet bestimmt ein Vermögen, da jetzt mit ins Studio zu gehen, das zu machen, ich hatte auch keine Lust, es war alles schon fertig. Dann fand ich die Idee doch ganz gut, also deswegen auch der Titel „Abgelehnt“, denn das waren alles so Nummern, die es über das Demo Stadium nicht hinaus geschafft haben. Es war eine Sammlung über Jahre, das habe ich aber auch auf dem Cover so vermerkt, das ist was für Leute, die es ein bisschen lustig sehen, da sind dann auch Songs drauf, die nicht ganz fertig waren. Ich weiß nicht, ob da überhaupt Songs drauf sind, die mit der Band aufgenommen wurden, die meisten habe ich zuhause aufgenommen. Das neue Album ist jetzt richtig mit Musikern im Studio zusammen eingespielt worden und ein paar Sachen habe ich zuhause noch da rein gebastelt, da habe ich mir schon ein bisschen mehr Mühe gegeben.

HL: Das sieht man ja auch an den drei bisher erschienenen Videos, die sind ja alle sehr gut produziert.

SK: Ich habe das Glück, dass die Jungs, mit denen ich das hier gemacht habe, die machen Videos, Musik, verschiedene Sachen und produzieren andere, das ist auch die Band, mit der ich das Album live präsentieren werde.

HL: Wird es von dir Konzerte geben?

SK: Nein, ganz im Gegensatz zu dem ersten Titel „Billiges Benzin“, steht mir da „teures Benzin“ im Weg, das werde ich mir nicht leisten, wenn ich mir überlege, wie schwierig das heute ist, eine Band auf die Straße zu bringen, ich habe ja auch ein paar Mann dabei. Sollte sich das irgendwie rechnen lassen, würde ich das schon gerne machen, aber da wird es eher technische Probleme geben, am Willen scheitert das nicht, eher an der technischen Ausstattung wie ich das Ganze finanziert kriege. Es ist ja auch nicht mehr wie früher, wo du mit fünf Freunden irgendwie den ganzen Tag zusammen warst und mit der Band alles zusammengemacht hast, so war das in den Siebzigerjahren, wir waren immer zusammen, von morgens bis abends, sind dann mit einem Auto zum Gig gefahren, das war uns völlig egal, aber das ist halt nicht mehr so heute.

HL: Hat es einen Grund, warum du deinen Vornamen auf dem Titel nicht richtig ausschreibst?

SK: Der Grund ist eigentlich meine Schwester, die heißt Susanne, also sie fängt auch mit S an und meine Mutter hatte früher unsere Mützen irgendwie so gekennzeichnet, weil wir fast das gleiche Zeug hatten. Bei mir stand dann immer St und bei ihr S drin. Irgendwann hieß es dann Sankt Kleinkrieg und darüber haben sich alle kaputtgelacht. Ich fand auch, das hätte ich mir besser nicht ausdenken können. 

Stefan Kleinkrief, Photo-Credit by Dirk Schmidt

HL: Was mir auf dem Album am besten gefällt, sind die etwas flotteren Songs wie „Wilhelmsplatz“ und „Autoscooter“. 

SK: Am Wilhelmsplatz stand die Kneipe für unseren Freundeskreis, die zusammen angefangen haben Musik zu machen, als mit den Breiten damals alles anfing, wo man jeden Abend hinging nach den Proben, nach den Gigs, es war praktisch unser zweites Zuhause. Das gibt es auch heute noch, aber das ist natürlich komplett anders, nichts erinnert mehr daran, deswegen schließe ich die Augen. Das ist ein Sehnsuchtsort, Wilhelmsplatz hat irgendwie jeder in Deutschland, wo man gewisse Sachen verbindet mit der Jugend. Wo man hingegangen ist, sich getroffen hat, die ersten Sachen so gemacht hat, das war für mich der Wilhelmsplatz. „Autoscooter“ ist klar, ich war schon lange nicht mehr auf dem Rummel bei mir und ich war früher unheimlich gerne da, ist also voll autobiografisch. Ich bin von morgens bis abends da gewesen, mein größter Berufswunsch wäre gewesen Autoscooter Autorückholfahrer, die coolen Jungs, die in den Autoscooter drin standen mit einem Schlüssel und die Karren dann zurückgefahren haben.

HL: Jetzt hast du noch „Kralle“ neu aufgenommen, den du damals für das Album „Odyssee“ von Udo Lindenberg geschrieben hast.

SK: Einer von den Jungs im Studio sprach mich darauf an, wir hatten es dann aufgenommen in der gleichen Version, dann sagte ich mir, warum soll ich das normal aufnehmen, so wie es ist? Dann hat sich mein Bassist einen Standbass genommen und wir haben es ein bisschen anders gemacht. Wir hatten noch jemand da, der Udo gut kennt und mir den Kontakt vermittelt hat, ich hatte mit ihm gesprochen, ob er was dagegen hätte, aber das war ihm völlig egal. Dann hatte er mir auch den Telefonmann dahinter noch eingesprochen, was im Original von einem Mädchen gesprochen ist. Danach ging es natürlich sofort los, der kann doch noch eine Strophe singen, aber du kannst dir ja vorstellen, was passiert wäre, wenn er das gemacht hätte, dann würde über die ganzen anderen Nummern überhaupt kein Mensch mehr reden. Ich hätte danach wahrscheinlich aus den Rechtsabteilungen der dementsprechenden Plattenfirmen oder Verlage noch Einwände bekommen, ja Moment, da muss aber das und das, da hatte ich aber keine Lust dazu. Das war die Nummer, die am meisten auf der Kippe stand, also, wenn einer gesagt hätte, dass ein Song runter müsste, hätte ich ihn runter geschmissen, weil es ihn schon gibt. Aber es hat halt unheimlich Spaß gemacht ihn wiederaufzunehmen und ich finde das Thema auch ganz interessant.

HL: Du bietest ja für deine Fans siebzehn Songs auf der CD und fünfzehn Songs auf der LP, das ist ja schon mal ein fairer Deal.

SK: Ja, die Vinyl-Version hat fünfzehn Songs und auf der CD sind dann noch zwei, die wir im Studio live aufgenommen haben, das ist „Vergib mir“ und der Song mit dem französischen Titel „Les Jeux Sont Faits“, das sind die Bonustracks. Ich hatte das Glück, dass es überhaupt zu diesem Album gekommen ist, ich hatte überhaupt nicht die Möglichkeit gehabt und zu Beginn auch keine Firma gehabt. Ich habe mit den Breiten ein Album gemacht und alles war gut. Dann kam diese Pandemie und ich mache normalerweise so Solo Geschichten, ähnlich wie das Album „Abgelehnt“, was dann noch rumliegt oder so. Das gibt es dann auf dem Merchandise Stand bei der Extrabreit Weihnachtstour, wo ich sie verkaufe, da macht man kein großes Geld mit, aber hinterher kannst du nochmal schick Abendessen gehen. So sollte dieses Album auch gemacht werden, eigentlich nur mit Akustikgitarre. Dann kam die Pandemie und Nordrhein-Westfalen lobte so ein Stipendium aus für Profimusiker. Da habe ich mich beworben und habe es in der Tat gekriegt. Wir sind dann ins Studio gegangen und haben es richtig aufgenommen, das ist der Grund, warum das überhaupt so war. Unser Verleger von Extrabreit hat versucht, eine Plattenfirma zu finden und die hat er dann auch gefunden, das war also mehr oder weniger Zufall, dass es dazu gekommen ist, was mich natürlich sehr freut.

HL: Wie seid ihr denn mit dem Feedback eures Extrabreit Album „Auf Ex!“ zufrieden?

SK: Wir sind eigentlich ganz zufrieden damit, es ging auch in den Charts nach langer Zeit mal wieder. Wo wir nicht mit zufrieden waren, dass wir nicht auf Tour gehen konnten, das brach dann mittendrin ab, so hat die Pandemie uns dann arbeitslos gemacht. Es sind zwei Touren abgesagt worden, insgesamt haben wir in den zwei Jahren seitdem vier Konzerte gespielt, live ist halt unser Geschäft. Wir verkaufen ja nicht viel und werden im Radio auch nicht gespielt. Doch, wir waren auch ganz zufrieden, wir haben uns ja lange geziert, überhaupt was zu machen, weil wir einfach der Meinung waren, das macht überhaupt keinen Sinn. Das Album davor, „Neues von Hiob“ hat sich nicht so gut verkauft, obwohl wir da auch Werbung für gemacht haben und auch getourt sind.

HL: Eure Blitztournee zu Weihnachten wird ja langsam zur Tradition.

SK: Daran haben wir immer festgehalten, das ist unser absolutes Kerngeschäft. Die Leute, die dort hingehen, die buchen auch gleich ihr Ticket für das nächste Jahr wieder. An so einem Abend ist das so, wir verkaufen da ja keine Musik, wir verkaufen an dem Abend Zeit, wenn wir auf die Bühne kommen und die alten Dinger spielen, dann sind die alle nochmal zwanzig und wir auch.

HL: Wird es denn nochmal ein neues Album von Extrabreit geben?

SK: Das steht in den Sternen, wenn wir dieses Jahr wieder anfangen können zu spielen, was momentan noch so aussieht, bisher haben wir noch keine wirklichen Absagen und es wird ein bisschen wieder zur Normalität zurückkehren, dann könnte ich mir vorstellen, dass wir nochmal was machen werden. Das wir uns jetzt hinsetzen und was auf blaues machen, so wie ich das jetzt gemacht habe, das werden wir nicht mehr machen mit den Breiten.

aktuelle Album „Die Sonne Scheint Für Alle“

HL: Im Jahr 2018 wart ihr ja auch mit Extrabreit auf einigen Festivals, bzw. Kai und du waren zusammen unterwegs.

SK: Kai hat in einer ganz komischen Fernsehsendung Holger Hübner kennengelernt, der outete sich dann irgendwie als Fan von uns und dann hatte Kai aus Flachs gesagt, wenn du uns so toll findest, wieso waren wir dann noch nie auf Wacken. Er hat uns dann rundum gebucht, für Wacken, das Werner Rennen, die Full Metal Cruise und die Winter Nights, dem haben wir viel zu verdanken. Wenn du Wacken spielst, auch wenn du nur so in diesem Rahmenprogramm stattfindest, das hat so eine Streuwirkung nach draußen, als wenn du in den Achtzigern einen Hit gehabt hättest.

HL: Wie seid ihr mit Extrabreit wieder gestartet?

SK: Unser ehemaliger Schlagzeuger Rolf kam mit einem Angebot der Rhine Fire, einer Footballmannschaft aus Düsseldorf, die würden uns eine hübsche Gage geben, wenn wir da bei ihnen in der Halbzeitpause den Flieger mal vorführen mit ihren Cheerleadern, das war finanziell ein so verlockendes Angebot. Nach dem ganzen Getöse haben wir ein paar Bier zusammengetrunken und haben überlegt, ob wir nicht wieder richtig ans Netz gehen, uns mal zum Spielen treffen. Das haben wir auch gemacht und haben die Band wieder aufgestockt in den Positionen, wo nix da war, das war im Jahr 2002 und das sind bis jetzt 20 Jahre.

www.die-breiten.de

www.facebook.com/stefan.kleinkrieg

Photo-Credit of all pics by Dirk Schmidt

Text: Ralf Gilberg

St. Kleinkrieg – Glückshormon (Official Music Video) – YouTube