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Festivalbericht: M’era Luna – Hildesheim

„Sie können einen Ford in jeder Farbe haben – Hauptsache er ist schwarz“. Dieser Satz des am 30. Juli 1863 in Dearborn/Michigan geborenen Unternehmers galt mehr seinen Automobilen denn der Gothik-Szene, aber im Kern ist die Aussage übertragbar. Seit ewiger Zeit ist Hildesheim an jedem zweiten Wochenende im August Heimat von 25.000 Gothik- und Mittelalter-Fans aus der ganzen Welt. Hier stehen Gothik-Fans nur in Strapsen, Minirock und BH neben Frauen, die in kompletter Mittelalter-Robe stehen, alles ruhig, alles friedlich. Das M’era Luna bietet mehr als nur Musik, hier gibt es einen Mittelalter-Markt, diverse Klamottengeschäfte, die Szene-Klamotten von/bis anbieten, des Weiteren lassen diverse Getränke und Essens-Stände keinen verhungern und verdursten. Und so ganz nebenbei musizierten auch diverse Bands der schwarzen und Mittelalter-Szene auf zwei Bühnen, die Hauptbühne steht Open Air auf dem Gelände, die andere in einer Lagerhalle. Und da das M’era Luna sich über die Jahre einen Kultstatus erarbeitet hat, lassen sich die Bands auch nicht zweimal bitte und so eröffneten die Newcomer von Cyborg in den Mittagsstunden das Spektakel. Ab 14:45 Uhr und der Gruppe Tanzwut ging für viele dann das Festival richtig los, nach Songs wie „Freitag Der 13.“ oder „Brüder Im Geiste“ wurde gefeiert und geklatscht. Danach zeigten die Hamburger Lord Of The Lost den Anwesenden, wo der Frosch die Locken hat, es ging um einiges mehr zur Sache als bei Tanzwut, bei Stücken wie „On This Rock I Will Build My Church“ oder „Blood For Blood“ wurde ordentlich gebangt. Zwischendurch sei erwähnt, dass in Hildesheim das Crowd-Surfen verboten ist, sehr zur Freude der anwesenden Fans, die sich ausschließlich nach vorn gerichtet auf die Band und auf die Musik konzentrieren können. Nach unter anderem den Norwegern von Apoptygma Berzerk, den US-Amerikaner von Ministry, der deutschen Eletronic-Band In Strict Confidence, war es denn Zeit, den Sonnenuntergang mit den Königen des Mittelalter-Rocks zu feiern: In Extremo! Und was die Berliner auf die Stage zauberten, war mal wieder aller Ehren wert, egal welcher der neuen Songs („Störtebecker“, „Quid Pro Quo“, „Sternhagelvoll“) oder der Klassiker („Feuertaufe“, „Rasend Herz“, „Himmel Und Hölle“) serviert wurden, die Menge rastetet aus. Einzig dass „Spielmannsfluch“ fehlte und, dass der Auftritt schon nach einer Stunde und 15 Minuten zu Ende war, stimmte einige traurig. Musik der ganz anderen Art präsentierten dann abschließend The Prodigy, die eine Mixtur aus Elektro, Big Beat und Trip-Hop spielten, Keith Flint und Kollegen beackerten die Bühne als gäb es kein Morgen mehr.

Sonntag, 12. August 2018, wettertechnisch nichts Neues, schönstes Sommerwetter, für die Trachtenträger eventuell ein wenig zu warm, für die leichter bekleideten optimal. Die Gruppe Schattenmann begrüßt den Tag dann recht rockig, ganz zur Freude der bereits wachen und anwesenden Fans. Viele der 25.000 Zuschauer (was mal wieder „Sold Out“ bedeutete) ließen den Tag eher gemächlich angehen, ab Nachmittags füllte es sich dann zusehends, bei L’Âme Immortelle war die Fläche vor der großen Mainstage schon recht gut gefüllt. Deutsch war an diesem Tag – zumindest was die große Bühne angeht – dann auch die gesungene Sprache, denn nach dem Duo aus Österreich (Thomas Rainer und Sonja Kraushofer) erklomm kein geringender als Peter Heppner (Ex-Wolfsheim) die Stage und interpretierte mit seiner markanten, samtweichen Stimme Hits wie den Smasher aus den 90er Jahren „The Sparrows And The Nightingales“ oder „Kein Zurück“. Eine wirkliche Überraschung für viele war aber, als plötzlich kein geringerer als Joachim Witt die Bühne erklomm und mit Heppner den Überhit „Die Flut“ und – 20 Jahre später – die neue Single „Was Bleibt“ interpretierte. Witt hat aktuell einen Rauschebart mit dem er Vader Abraham („Lied Der Schlümpfe) Konkurrenz machen könnte. Direkt im Anschluss ging die Gruppe Rotersand im Hangar auf die Bühne und begeisterten mit ihrem Mix aus Progressive Trance, Techno und Pop. Einige Minuten nach Rotersand machten sich dann die Mittelalter-Rocker von Saltatio Mortis bereit, ein musikalisches und visuelles Feuerwerk (im wahrsten Sinne des Wortes) loszutreten. Allen voran gab Sänger Jörg Roth (extrem durchtrainierter Körper) Vollgas, aber Saltatio Mortis sind eine über Jahre gewachsene Einheit, was vor knapp 18 Jahren als reine Straßenmusikband begann, ist gegen Ende des zweiten Jahrzehnts in diesem Jahrtausend fast eine Headliner-Band, welche die Massen begeistert. Und dieses zeigt sich vor allem bei den neuen Songs, denn diese („Brunhild“ und „Große Träume“) werden ebenso mitgegrölt und gefeiert wie die ganzen Klassiker der Band („Wo Sind Die Clowns?“, „Rattenfänger“ oder „Spielmannsschwur“). Es folgten dann auf der Hangar Stage die Gruppe Atari Teenage Riot aus Berlin, auf der Mainstage die belgischen Elektro-Pioniere Front 242 (gegründet 1981!!), bis dann Hocico aus Mexico die Hangar Stage und die aktuell erfolgreichsten Vertreter der Neuen Deutschen Härte, Eisbrecher, die Mainstage abgeschlossen haben. Letztere zeigten mal wieder eindrucksvoll, warum sie derzeit das Angesagteste in diesem Genre sind. Sozialkritische Texte („Was Ist Hier Los“) wechseln mit ironischen („Ich Bin Das Gesetz“) ab, alles entsprechend kommentiert vom Entertainer und Sänger Alexander „Alexx“ Wesselsky. Mit dem ruhigem „In Einem Boot“ ging dann das M’era Luna kurz nach 22 Uhr zu Ende, aber – und das ist sicher – nach dem Festival ist vor dem Festival, denn auch für 2019 haben sich bereits mehrere Szene-Größen schon angemeldet …

Text & Bilder: Alexander Stock